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Freibrief für hormonelle Schadstoffe:
So gefährdet die EU-Kommission unsere Gesundheit

Schwangere Frau.

Das ungeborene Leben ist besonders gefährdet durch hormonell wirksame Stoffe
© Photographee.eu / Fotolia.de

(27.07.16) Die EU-Kommission torpediert mit einer neuen Vorlage den Schutz vor hormonell wirksamen Chemikalien. Im Rahmen einer EU-Konsultation hat das Umweltinstitut jetzt seine Einwände dazu eingebracht. Erfahren Sie hier alles Wichtige zu den Hintergründen:

Sie finden Anwendung als Pestizidwirkstoffe, finden sich in Kunststoffartikeln, Kosmetika, Baumaterialien und sogar in Kassenzetteln. Die Rede ist von hormonell wirksamen Schadstoffen, also Substanzen, die ähnlich wie körpereigene Hormone wirken und damit unser empfindliches Hormonsystem stören. Die gesundheitlichen Folgen können weitreichend sein. Unfruchtbarkeit, Entwicklungsstörungen, verschiedene Krebsarten und Diabetes werden mit hormonell wirksamen Stoffen in Verbindung gebracht. Als besonders gefährdet gelten Föten im Mutterleib, Kleinkinder und Pubertierende.

Der verschleppte Gesundheitsschutz

Aus diesem Grund hat das Europäische Parlament bereits 2009 beschlossen, dass hormonartige Chemikalien nicht mehr als Wirkstoffe in Pestiziden verwendet werden dürfen. Die EU-Kommission wurde beauftragt, Kriterien zur Identifizierung dieser Stoffe zu entwickeln. Auf deren Grundlage sollten hormonell wirksame Substanzen erkannt und für die Verwendung in Pestiziden verboten werden. Doch die Kommission verschleppte die Vorlage der Kriterien und wurde deshalb im letzten Jahr sogar vom Europäischen Gerichtshof verurteilt.

Kriterien zum Schutz der Chemieindustrie

Jetzt stellte die Kommission ihre Kriterien endlich vor. Doch wer geglaubt hat, damit würde der Weg für einen besseren Gesundheitsschutz geebnet, wurde bitter enttäuscht. Denn die jetzt vorgelegten Kriterien sind so eng formuliert, dass nur wenige Stoffe darunterfallen dürften.

Nach den Vorstellungen der EU-Kommission soll ein Stoff nur dann als hormonell wirksam eingestuft werden, wenn einwandfrei bewiesen ist, dass der Stoff Menschen auf Grund seiner hormonellen Wirkung schädigt. Diese hohe Beweislast ist ungewöhnlich für die Chemikaliengesetzgebung. Bei krebserregenden und erbgutschädigenden Stoffen reicht es aus guten Gründen bereits, wenn eine Schädigung wahrscheinlich ist, um den Stoff entsprechend einzustufen.

Kompetenzen überschritten

Die ursprünglich vom Parlament verabschiedete Pestizidverordnung hatte dies so auch für hormonell wirksame Stoffe vorgesehen. Mehrere EU-ParlamentarierInnen warfen der Kommission deshalb in einem Brief vor, ihre Kompetenzen zu überschreiten. Auch die Regierungen von Frankreich, Schweden und Dänemark haben bereits gegen den Vorschlag der Kommission protestiert. Die Gesellschaft der Endokrinologen (Fachärzte für hormonell bedingte Krankheiten) wirft der Kommission ebenso vor, zu enge Kriterien vorgeschlagen zu haben, wie der Baukonzern Skanska. Im Rahmen einer EU-Konsultation haben auch wir jetzt unsere Einwände eingebracht.

Deshalb sind die Kriterien so wichtig

Die Auseinandersetzung um Schadstoffe macht sich meist an einzelnen Chemikalien fest, wie zum Beispiel Glyphosat, Bisphenol A oder DDT und Asbest in früheren Jahren. Dies hat mit der Systematik der Chemikaliengesetzgebung zu tun, die es in der Regel nur erlaubt, Verbote gegen einzelne Stoffe auszusprechen, beziehungsweise zu erreichen, dass ein bestimmter Stoff keine Zulassung mehr erhält. So werden einzelne Stoffverbote erreicht, doch am System ändert sich wenig.

Die Festlegung konsequenter Kriterien für die Identifizierung hormonell wirksamer Stoffe würde es erlauben, eine Grundlage für ein Verbot Dutzender, wenn nicht sogar Hunderter gefährlicher Chemikalien zu schaffen.

Ausgang offen

Noch sind die Kriterien nicht verabschiedet. Dazu braucht die Kommission die Zustimmung der Mitgliedstaaten und des EU-Parlaments. Auf Grund der vielfältigen Proteste gibt es Hoffnung, dass der Vorschlag scheitert und am Ende doch noch Kriterien formuliert werden, die deutlich mehr Stoffe erfassen würden. Doch auf der anderen Seite macht die Chemieindustrie mächtig Druck, um Kriterien durchzusetzen, die noch weniger Stoffe abdecken würden. In den kommenden Wochen werden wir uns daher verstärkt um dieses Thema kümmern.

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