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Pestizide in Südtirol: Wir stehen immer noch vor Gericht

Wir bereiten uns auf den nächsten Termin vor Gericht im Südtiroler Pestizidprozess vor (Foto: villagio photography).

Wir bereiten uns auf den nächsten Termin vor Gericht im Südtiroler Pestizidprozess vor (Foto: villagio photography).

(28.10.2021) Der Südtiroler Pestizidprozess geht in die nächste Runde: Über ein Jahr, nachdem unser Mitarbeiter Karl Bär zum ersten Mal in Bozen auf der Anklagebank Platz nehmen musste, wird er am 29. Oktober zum vierten Mal vor dem Landesgericht Bozen erscheinen müssen. Der Grund: Kritik am hohen Pestizideinsatz im Südtiroler Apfelanbau.

Dreizehn Monate ist es her, dass unser Mitarbeiter Karl Bär zum ersten Mal in Bozen auf der Anklagebank Platz nehmen musste, weil er kritisiert hat, dass in Südtirol zu viele giftige Pestizide verspritzt werden. Seitdem ist viel passiert: Nach einer gutbesuchten Pressekonferenz und einer Protestaktion, die wir vor dem Prozessauftakt in Bozen organisiert hatten, sah es zunächst danach aus, als ob der SLAPP (strategic lawsuit against public participation) gegen uns Ende womöglich enden könne, kaum dass das Verfahren eröffnet wurde. Denn die Landesregierung gab nach einer Welle an öffentlicher Empörung über den Angriff auf Pestizidkritiker:innen in einer Pressemitteilung die Entscheidung bekannt, ihre Anzeigen zurückzuziehen.

Weiter für die Wahrheit vor Gericht

Bis es tatsächlich so weit war, sollten aber noch zehn Monate vergehen – eine Zeit, in der uns die Vorbereitung auf weitere Gerichtstermine weiterhin in Atem hielt. Schließlich zogen Arnold Schuler, der Südtiroler Landesrat für Landwirtschaft und 1373 Bäuerinnen und Bauern ihre Anzeigen erst am 12. Juli endlich zurück. Leider bedeutete dies für uns nicht das Ende dieses absurden Verfahrens: Zwei Brüder weigern sich, ihre Strafanträge fallen zu lassen, sodass der Prozess fortgesetzt wird. Nach wie vor steht Karl Bär vor Gericht, weil er die Wahrheit über Pestizide im Südtiroler Apfelanbau gesagt hat. Es zeigt sich: Ist die Büchse der Pandora einmal geöffnet, so ist es schwer, sie wieder zu schließen. Obwohl Arnold Schuler und die überwältigende Mehrheit der Südtiroler Obstwirtschaft erkannt haben, dass man kritische Stimmen nicht durch haltlose Klagen zum Schweigen bringen kann, zieht sich der Gerichtsprozess weiter in die Länge und hat für uns an Bedrohlichkeit nicht verloren: Sollten wir das Verfahren verlieren, könnten tausende Südtiroler Landwirt:innen in einem anschließenden Zivilverfahren Schadensersatzforderungen in Millionenhöhe gegen uns geltend machen.

Freispruch für Alexander Schiebel

Trotzdem gab es auch gute Nachrichten für die Redefreiheit von Pestizidkritiker:innen in Südtirol: Am 28. Mai wurde unser Mitangeklagter, der österreichische Autor Alexander Schiebel, der für Passagen in seinem Buch „Das Wunder von Mals“ vor Gericht stand, freigesprochen – und das noch vor der Eröffnung des Hauptverfahrens. Der Richter sah in seinem Fall den Tatbestand der üblen Nachrede nicht vorliegen. Wir werten dies als klares Votum für die Meinungsfreiheit und als gutes Vorzeichen für den Prozess gegen unseren Mitarbeiter Karl Bär, der aktuell von seinen Tätigkeiten im Umweltinstitut freigestellt ist, um seinen Aufgaben als Bundestagsabgeordneter nachzugehen.

Sieg für die Meinungsfreiheit in der Steiermark

Auch der Österreicher Franz Sölkner wurde kürzlich in zweiter Instanz freigesprochen. Der Aktivist von der Initiative SteierInnen gegen Tierfabriken war vom ÖVP-Bauernbund wegen eines Plakats angezeigt worden, das den Pestizid- und Antibiotika-Einsatz in der Landwirtschaft kritisierte. Das Bezirksgericht Graz-Ost gab dem Bauernbund recht und urteilte, Franz Sölkner habe seine Behauptungen zu widerrufen und es künftig zu unterlassen, "der Landwirtschaft zu unterstellen, sie fördere den Einsatz von Gift." Im Berufungsverfahren vor dem Zivilgericht Graz bekam der Pestizidkritiker schließlich recht. Das Gericht urteilte, die Aussagen auf dem Plakat hätten die Grenzen zulässiger Kritik nicht überschritten und seien durch das Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt. 

Des Pudels Kern: Der Pestizideinsatz in Südtirol

Für den vierten Prozesstag sind die beiden Brüder, die an ihren Strafanträgen festhalten, als Zeugen der Staatsanwaltschaft geladen. Erstmals wird es also am 29. Oktober vor Gericht um den eigentlichen Streitpunkt in diesem Verfahren gehen: den Pestizideinsatz in Südtirol. Vor Gericht werden wir mit Zahlen belegen, dass unsere Kritik am hohen Pestizideinsatz in der beliebten Urlaubsregion keine „üble Nachrede“ war, sondern den Tatsachen entspricht.

Werden Sie aktiv!

Helfen Sie uns, dem Rechtsmissbrauch durch SLAPP-Einschüchterungsklagen endlich den Riegel vorzuschieben und unterschreiben Sie unsere Petition an die EU-Kommission. Wir fordern die zuständigen EU-Kommissar:innen auf, europaweit Maßnahmen gegen haltlose Einschüchterungsklagen zu ergreifen. Nicht nur Umweltaktivist:innen werden immer häufiger Opfer solcher SLAPPs, sondern auch Vertreter:innen von Presse, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Damit es sich endlich #ausgeSLAPPt hat, sind wir auf Ihre Stimme angewiesen.

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