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Kein Recht auf Berufung für Valérie Murat

Pestizidprozess in Frankreich: Vorerst kein Recht auf Berufung für Valérie Murat (Graphik: Umweltinstitut München)

Pestizidprozess in Frankreich: Vorerst kein Recht auf Berufung für Valérie Murat (Graphik: Umweltinstitut München)

(08.12.2021) Die französische Pestizidkritikerin Valérie Murat kann nicht gegen das Urteil in Berufung gehen, das ihr die Veröffentlichung von Laboranalysen über Pestizidrückstände in Bordeaux-Weinen untersagt. Das Berufungsgericht in Bordeaux setzte den Berufungsantrag der Aktivistin mit der Begründung aus, sie müsse zuerst die die 125.000 Euro Straf- und Schadensersatz aufbringen, zu deren Zahlung sie im Februar verurteilt worden war.

Neun Monate ist es her, dass Valérie Murat das niederschmetternde Zwischenergebnis des SLAPP-Verfahrens gegen sie und ihre Bürgerinitiative Alerte aux Toxiques“ (Giftalarm!) erfuhr: Das Gericht in Libourne sah es als erwiesen, dass sie sich des Tatbestands der kollektiven Verunglimpfung (dénigrement) der Branche der Bordeaux-Weine schuldig gemacht habe und verurteilte sie zu 125.000 Euro an Straf- und Schadensersatzzahlungen.

In vino veritas? Im Bordelais eher nicht!

Vorausgegangen war diesem existenzbedrohenden Urteil eine massive juristische Attacke von Seiten des Branchenverbands für Bordeaux-Weine (Conseil Interprofessionnel du Vin de Bordeaux, kurz CIVB). Dieser hatte Valérie Murat vor Gericht gezerrt, nachdem die Winzerstochter die Pestizidbelastung von 22 Bordeaux-Weinen publik gemacht und deren Kennzeichnung mit einem Label für besonders umweltfreundliche Anbauweise als massives Greenwashing kritisiert hatte.

Obwohl diese Veröffentlichung von der Informationsfreiheit und dem Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt sein sollte, entschied das Gericht in erster Instanz zugunsten des CIVB.

Berufungsantrag gescheitert

Gegen dieses Urteil wollte Valérie Murat in Berufung gehen – eine Möglichkeit, die ihr nun verwehrt wurde: Denn das Berufungsgericht in Bordeaux entschied, das Verfahren aus dem Gerichtskalender zu streichen. Möglich macht dies eine sogenannte „nicht-aufschiebende Klausel“ aus dem erstinstanzlichen Urteil. Diese Klausel verpflichtet die Pestizidgegnerin dazu, ohne Verzögerung die 125.000 Euro zu bezahlen sowie ihre angeblich verunglimpfenden Aussagen sofort zu löschen. Kommt sie dieser Pflicht nicht nach, kann das Gericht eine Vertagung, Unterbrechung oder Aussetzung des Verfahrens anordnen – sofern die Angeklagte nicht beweisen kann, dass es ihr de facto unmöglich war, das Urteil aus der ersten Instanz umzusetzen.

Im Zweifel gegen die Angeklagte?
Valérie Murat spricht auf einer Demonstration vor dem Berufungsgericht in Bordeaux am 13. Oktober 2021(Bild: Alerte aux toxiques)

Valérie Murat spricht auf einer Demonstration vor dem Berufungsgericht in Bordeaux am 13. Oktober 2021(Bild: Alerte aux toxiques)

In der Verhandlung über ihren Berufungsantrag am 13. Oktober wiesen Valérie Murat und ihr Anwalt Eric Morain eben dies nach und beriefen sich darauf, dass der geforderte Betrag in etwa zehn Jahresgehältern der Angeklagten entspräche. Dieses Argument erkannte das Gericht jedoch nicht an, genauso wenig wie den guten Willen, den Valérie Murat gezeigt hatte, indem sie seit April im Rahmen ihrer Möglichkeiten monatlich 800 Euro an die Kläger:innen bezahlt hatte. Stattdessen folgte das Gericht der Ansicht des CIVB: Valérie Murat sei angeblich in der Lage, die Strafe zu zahlen, wenn sie nur das Haus verkaufe, in dem ihre Mutter lebt.

Auch folgte das Gericht der Einschätzung der Weinlobby, die Pestizidgegnerin hätte sich dem erstinstanzlichen Urteil widersetzt, indem sie nicht mit ihren „verunglimpfenden“ Aussagen aufgehört hatte und weiterhin öffentlich die Legitimität ihrer Kritik verteidigt hatte. Fakt ist: Valérie Murat löschte direkt nach dem Urteil das Pressedossier, in dem sie die Ergebnisse der Laboranalysen ursprünglich veröffentlicht hatte, aus dem Internet. Dass ihr die Tatsache, dass sie weiterhin zu ihrer Kritik stand, nun als Widersetzung gegen das erstinstanzliche Urteil ausgelegt wurde, lässt sich indes schwer mit der Idee des Rechts auf freie Meinungsäußerung vereinbaren.

Wie Sie helfen können:

Um die 125.000 Euro aufzubringen und ihr Recht auf Berufung doch noch in Anspruch nehmen zu können, hat Valérie Murat ein Crowdfunding aufgesetzt. Unter diesem Link können Sie der Aktivistin spenden.

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