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EU-Kommission will Gentechnik-Recht aufweichen!

Wenn es nach der EU-Kommission geht, so sollen genmanipulierte Lebensmittel zumindest teilweise ohne Kennzeichnung in den Ladenregalen und damit auch ohne unser Wissen auf unseren Tellern landen.

(05.05.2021) Der Bericht der Kommission zur Anwendung neuer Gentechnik in der Landwirtschaft wurde am vergangenen Donnerstag veröffentlicht. Leider hat sich bestätigt, was wir schon lange befürchtet haben: Die EU-Kommission plant, unser strenges europäisches Gentechnikrecht aufzuweichen. Wir haben eine Einschätzung des Dokuments vorgenommen.

Die aktuelle Veröffentlichung der Kommission beschreibt wortreich mögliche Vorteile der neuen Techniken, Risiken werden dagegen eher als unbedeutend abgetan. Die genannten Vorteile sind dieselben, die seit langem im Zusammenhang mit der "alten" Gentechnik versprochen werden - die es in der Praxis so aber gar nicht gibt. Damit stellt die Kommission Konzerninteressen über das Wohl von Umwelt, von Tieren und auch uns Menschen. Außerdem wird eine politische Initiative für eine Änderung des Gentechnikrechts angekündigt.

Vorsorgeprinzip steht auf dem Spiel

Bisher gelten für den Anbau und das Inverkehrbringen genmanipulierter Pflanzen als Lebens- oder Futtermittel in der EU strenge Vorschriften. Es herrscht das sogenannte Vorsorgeprinzip: Gibt es ernsthafte oder plausible Anhaltspunkte für ein Risiko, so müssen diese Bedenken von den Herstellern erst einmal widerlegt werden – denkbare Belastungen oder Schäden müssen vermieden oder weitestgehend verringert werden. Diese Tatsachen und der große Widerstand von Seiten der Zivilbevölkerung gegen genmanipulierte Pflanzen führt dazu, dass in der EU kaum gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut oder als Lebensmittel verkauft werden. In der EU ist mit der Maissorte MON810 derzeit nur eine einzige gentechnisch veränderte Pflanze für den kommerziellen Anbau zugelassen. Der Mais wächst auf einer sehr kleinen Fläche (im Jahr 2020 auf 1,14 Prozent der Gesamtanbaufläche der EU) in Spanien und Portugal. In Deutschland ist der Anbau von MON810 seit 2009 verboten, seit 2013 werden in Deutschland überhaupt keine genmanipulierten Pflanzen mehr angebaut.

Sollte das Gentechnikrecht für die neuen Gentechnikmethoden nun aufgeweicht werden, könnte sich das jedoch ändern. Pflanzen, die unter Einsatz neuer Methoden wie CRISPR/Cas hergestellt wurden, könnten dann nicht nur auf unseren Feldern wachsen, sondern auch ohne Kennzeichnung und ohne umfassende Risikobewertung auf unseren Tellern landen. Die Rückverfolgbarkeit der genmanipulierten Pflanzen wäre nicht mehr möglich und damit auch keine Koexistenz mit gentechnikfreier Landwirtschaft. Dies wäre ein schwerer Schlag für den Umwelt- und Verbraucherschutz mit unabsehbaren Folgen für unsere Natur. Das Vorsorgeprinzip würde damit ausgehebelt.

Mögliche Rechtsänderungen

Aus dem Bericht der EU-Kommission geht nicht endgültig hervor, in welcher Hinsicht das Gentechnikrecht geändert werden könnte. Einige Optionen werden jedoch zumindest angedacht:Möglich ist demnach etwa, dass es für Produkte, die mit den neuen Gentechnikmethoden hergestellt wurden, kein einheitliches Vorgehen gibt. Es könnte dann von Fall zu Fall entschieden werden, ob ein Produkt als genmanipuliert gilt und damit reguliert und gekennzeichnet wird, oder eben nicht. Ebenfalls denkbar ist, dass einige Methoden von der Regulation ausgenommen werden (wie z.B. CRISPR/Cas), andere aber nicht. Oder es gibt eine Änderung, die dazu führt, dass das europäische Gentechnikrecht sich bezüglich der neuen Gentechnikmethoden dem in den USA angleicht. Dort wird überhaupt nicht berücksichtigt, wie etwas hergestellt wurde, sondern nur das Endprodukt bewertet. Das wäre eine Abkehr von dem bisher in der EU herrschenden prozessbasierten Ansatz hin zum sogenannten produktbasierten Ansatz.

Jede dieser möglichen Änderungen würde dazu führen, dass Pflanzen, die mit den neuen Gentechnikmethoden hergestellt wurden, voraussichtlich in großem Umfang ohne Kennzeichnung und ohne Möglichkeiten der Nachverfolgbarkeit angebaut werden können und in den Handel gelangen. Verbraucher:innen werden so ihrer Wahlfreiheit beraubt, der ökologische und auch der konventionelle gentechnikfreie Anbau gefährdet, die Umwelt unvorhersehbaren Risiken ausgesetzt.

Wo bleibt die Ethik?

Seit Jahrzehnten betet uns die Gentechnik-Industrie die vermeintlichen Vorteile genmanipulierter Pflanzen vor. Nachhaltiger und umweltfreundlicher hätte die Landwirtschaft werden sollen, gesünder unser Essen. Bewahrheitet hat sich davon nichts. Im Gegenteil ist der Pestizideinsatz dort, wo in großem Umfang genmanipulierte Pflanzen angebaut werden teilweise deutlich höher - dank herbizidtoleranter Varianten wie beispielsweise glyphosattoleranter Sojapflanzen. Die Eigenschaften, die durch die Anwendung von Gentechnik hervorgerufen werden, konzentrieren sich zum größten Teil auf Herbizidtoleranzen, die eigene Produktion von Insektengiften oder beides zusammen. Mit den neuen Gentechnikmethoden werden von Gentechnik-Lobbyist:innen nun auch die alten Versprechen wieder heraufbeschworen. Doch auch hier wird wieder stark auf altbekannte Eigenschaften wie Herbizidresistenzen gesetzt.

Besonders problematisch: Die neuen Gentechnikmethoden sollen auch verstärkt bei Tieren eingesetzt werden, angeblich zugunsten des Tierwohls. Doch ein Blick auf die angestrebten Änderungen zeigt: Unsere Nutztiere, allen voran Schweine und Rinder, sollen an nicht artgerechte Haltungsbedingungen angepasst werden und sie sollen noch schneller noch höhere Leistung erbringen. Und das, obwohl sie schon heute mit zahlreichen Erkrankungen zu kämpfen haben, die auf einseitige Züchtung auf Hochleistung zurückzuführen sind. So sollen unter Einsatz neuer Gentechnikmethoden etwa Eber (männliche Schweine) mit missgestalteten weiblichen Geschlechtsorganen und Rinder ohne Hörner mit Antibiotika-Resistenzen aus den Laboren in die Ställe wandern. Außen vor bleibt das damit einhergehende Tierleid. Angefangen von dem massenhaften Tierversuchen, denen abertausende Embryonen zum Opfer fallen, über das Leid der Leihmütter, missgestaltete Organe, Anfälligkeit gegenüber Krankheiten, ein verkürztes Leben und die weitere Haltung der Tiere unter nicht artgerechten Bedingungen.

Wie geht es weiter?

Die Kommission hat angekündigt, eine öffentliche Konsultation zum Thema neue Gentechnik zu starten. Zudem wird der Bericht in diversen Ausschüssen, im EU-Parlament, im Europäischen Rat und von den Mitgliedstaaten diskutiert werden. Im Zuge dessen ist also auch die deutsche Bundesregierung beteiligt. Wir fordern, dass sich die Bundesregierung in Brüssel für Wahlfreiheit, Verbraucherschutz und Vorsorgeprinzip stark macht und eine strikte Regulierung von alter und neuer Gentechnik einfordert.

Unsere Forderungen

Wir fordern eine 100% ökologische, nachhaltige Landwirtschaft ein und ein Verbot von Gentechnik in der Landwirtschaft. Nur eine Landwirtschaft, die mit und nicht gegen die Natur arbeitet, kann die Lösung sein für die bestehenden Probleme unserer Zivilisation – den Klimawandel und damit einhergehende Extremwetterereignisse, den massiven Biodiversitätsverlust und die immer weiter wachsende Weltbevölkerung.

Die Nutzung von Gentechnik in der Landwirtschaft ist und bleibt eine Bremse für die Agrarwende. In Deutschland lehnen zudem 80 Prozent der Verbraucher:innen Gentechnik auf ihrem Teller und auf dem Acker ab. Doch echte Wahlfreiheit und Transparenz besteht für sie nur dann, wenn auch neue Gentechnik eindeutig als solche gekennzeichnet ist. Wir fordern, dass gemäß dem in der EU herrschenden Vorsorgeprinzip alle Gentechnikmethoden strikt reguliert bleiben. Nur wenn Europas Äcker gentechnikfrei sind, ist eine ökologische Entwicklung der Landwirtschaft und eine Lebensmittelproduktion nach den Wünschen der Verbraucher:innen überhaupt möglich.

Die gemeinsamen Forderungen des Umweltinstituts und einem Bündnis aus über 90 Organisationen aus ganz Deutschland finden Sie in unserem gemeinsamen Positionspapier.

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