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Pestizide aus Südtirol belasten Luft in der Schweiz

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© Eric Westendarp / pixabay

(06.10.2020) Pestizide aus Südtirol werden über die Luft bis ins Schweizer Münstertal verfrachtet. Dies fand das Umweltinstitut München im Auftrag des Graubündner Amts für Natur und Umwelt (ANU) heraus.

Bereits im Jahr 2018 konnte das Umweltinstitut mit einer Messreihe nachweisen, dass Pestizide, die im Südtiroler Vinschgau beim intensiven Obstanbau eingesetzt werden, nicht an ihrem Ausbringungsort verbleiben – sie werden vom Wind durch die Luft verbreitet, zum Teil sogar kilometerweit. Nach der Veröffentlichung des damaligen Pilotprojekts trat das Graubündner Amt für Natur und Umwelt (ANU) an uns heran und beauftragte eine solche Messreihe für das direkt an das Vinschgau angrenzende Schweizer Münstertal. Ziel der Untersuchung war es, herauszufinden, ob und wie weit Pestizide aus den intensiven Südtiroler Obstbaugebieten mit dem Wind ins Schweizer Münstertal verfrachtet werden.

Die wichtigsten Ergebnisse
  • Es konnte ein eindeutiger Gradient bei der Belastung der Standorte festgestellt werden: Je weiter der Standort vom Südtiroler Teil des Münstertals entfernt lag, desto geringer war die Anzahl der nachweisbaren Pestizide sowie deren Konzentration.
  • Es konnte ein gemeinsamer Verlauf der Belastung über den Messzeitraum und ein vergleichbares zeitliches Auftreten vieler Wirkstoffe wie bei den Messungen im Vinschgau festgestellt werden.
  • Auch Pestizide (die Herbizide Pendimethalin und Prosulfocarb), die vor Ort im Münstertal eingesetzt werden, konnten wir nachweisen.


Diese Beobachtungen weisen darauf hin, dass Pestizide aus dem intensiven Obstbau im Vinschgau mit der Luft ins Münstertal verfrachtet werden. Im Vergleich zu den Messungen im Vinschgau, wo bis zu 16 Wirkstoffe in einer Probe gefunden wurden, geht die Belastung der Luft im Schweizer Münstertal allerdings hauptsächlich auf nur wenige Wirkstoffe zurück. Dass diese Wirkstoffe zur Verbreitung durch die Luft neigen, war aufgrund früherer Untersuchungen bereits zu vermuten. Es handelt sich dabei um die Fungizide Captan und Fluazinam sowie das Insektengift Phosmet, die auch bei den Messungen im Vinschgau die Wirkstoffe mit den häufigsten und höchsten Funden waren, sowie die Herbizide Pendimethalin und Prosulfocarb.

Unter den nachgewiesenen Pestiziden sind gesundheitsschädliche Wirkstoffe, die unter anderem vermutlich die Fruchtbarkeit schädigen, Krebs und Allergien auslösen oder Organe schädigen können. Auch für die Umwelt bergen die gemessenen Wirkstoffe Gefahren. Dazu gehört mit am häufigsten eine Giftigkeit für Wasserorganismen mit langfristiger Wirkung.

Diese Ergebnisse bestätigen einmal mehr, dass die Zulassungsverfahren von Pestiziden in der Europäischen Union, die staatlichen Monitoring-Programme und die Regeln der "guten landwirtschaftlichen Praxis" oder "guten fachlichen Praxis" ungenügend sind, um unsere Gesundheit und Umwelt vor den schädlichen Wirkungen der Ackergifte tatsächlich zu schützen.

Unsere wichtigsten Kritikpunkte
  • Die europäischen Behörden vernachlässigen bei den Zulassungsverfahren die Verbreitung von Pestiziden durch die Luft und ignorieren den sogenannten Cocktaileffekt. Vom Cocktaileffekt spricht man, wenn sich mehrere Pestizide gleichzeitig in der Luft, im Boden, im Wasser oder in Lebensmitteln befinden. Wie diese Wirkstoffe zusammenwirken, wird nicht näher untersucht. Auch die Dauerbelastung mit Pestiziden über die gesamte Spritzsaison wird bei der Zulassung nicht beachtet.
  • Es gibt kein systematisches Monitoring von Pestiziden in der Luft. Weder in Deutschland, noch in Italien oder der Schweiz gibt es staatliche Programme zur Messung von Pestizid-Wirkstoffen in der Luft. Infolgedessen gibt es keine offiziellen Daten zu diesem Problem.
  • Technische Maßnahmen reichen nicht aus, um Abdrift zu verhindern. Pestizide verbreiten sich trotz der Ergreifung von technischen Maßnahmen, wie etwa dem Einsatz Abdrift mindernder Düsen, über die Luft.


Die einzige Möglichkeit, die Verbreitung von Pestiziden durch die Luft tatsächlich zu verhindern, ist es, keine Pestizide einzusetzen.

Umfassende Messungen in Deutschland 2019

Das Umweltinstitut hat bereits mehrere Messreihen zur Verbreitung von Pestiziden durch die Luft durchgeführt. In unserem bisher größten Projekt erfolgten 2019 umfassende Messungen in ganz Deutschland an über 100 Standorten. Dieses große repräsentative Projekt wurde gemeinsame mit dem Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft und dem Umweltbüro TIEM umgesetzt. Die Ergebnisse finden Sie hier.

Mit unseren Messungen leisten wir Pionierarbeit: Vor unseren Untersuchungen gab es nur sehr wenige Daten zur Pestizidbelastung der Luft. Jetzt will auch das deutsche Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) ein eigenes Monitoringprogramm auflegen.

Unterstützen Sie unsere Messprojekte

Seit 1986 betreiben wir unabhängige Forschung, um die Belastung von Mensch und Umwelt dort zu bekämpfen, wo der Staat es nicht tut. Forschungsprojekte wie unsere Pestizidmessungen kosten viel Geld und Arbeitskraft. Ihre Beiträge und Spenden machen diese wichtige Arbeit erst möglich. Seien Sie dabei!

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