EuGh entscheidet über Investitionsschutz in CETA

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(17.04.2019, München) Wieviel dürfen wir aus Sitzungen wissen, in denen die EU-Kommission im Rahmen des CETA-Abkommens mit Kanada über Pestizide, Gentechnik und Tiergesundheit spricht? Darum geht es in einer Klage, die wir im Dezember gegen die EU-Kommission eingereicht haben. Noch bevor über diese Frage entschieden wird, fällt der Europäische Gerichtshof am 30. April ein wichtiges Urteil darüber, ob CETA überhaupt mit europäischem Recht vereinbar ist.
Ende 2018 haben wir Klage gegen die EU-Kommission eingereicht, weil diese uns Einsicht in Dokumente aus Sitzungen der sogenannten "regulatorischen Kooperation" unter CETA verweigert. Im Rahmen der "regulatorischen Kooperation" finden unter anderem Beratungen zwischen europäischen und kanadischen Beamten über die Regulierung von Gentechnik und Pestiziden statt. Wir befürchten, dass dadurch die Vorbereitung politischer Entscheidungen in intransparente, nicht gewählte Gremien verlagert wird.
Unsere Klage geht nun den vorgesehenen juristischen Weg. Inzwischen haben wir eine Klageerwiderung von den JuristInnen der Kommission vorliegen. Bis zum 7. Mai haben wir nun Zeit, auf die Klageerwiderung zu antworten.
Zusammengefasst läuft es darauf hinaus, dass das Gericht der EU – das eine Instanz unter dem EuGH steht – entscheiden muss, ob die Kommission unsere Rechte auf den Zugang zu Dokumenten mit der Behauptung abwehren darf, es gäbe "Risiken für die internationalen Beziehungen", ohne das näher zu begründen.
Am 30. April fällt der Europäische Gerichtshof ein Urteil, das CETA komplett kippen könnte. Die belgische Bundesregierung hatte dem obersten Gericht der Union die Frage gestellt, ob CETA mit europäischem Recht vereinbar ist. Das Verfahren geht auf die Einigung der belgischen Bundesregierung mit der Regionalregierung von Wallonien im Jahr 2016 zurück. Speziell geht es um die Investitionsschutzklauseln des Abkommens. Sie geben international tätigen Unternehmen und InvestorInnen Sonderrechte, die sie vor speziellen Gerichten außerhalb des staatlichen Rechtssystems einklagen können. Sie können damit Entschädigungen aus Steuergeldern verlangen, wenn demokratisch beschlossene Gesetzesänderungen den Wert ihrer Investitionen schmälern.
Viele Beispiele für Klagen nach nach anderen Investitionsschutzabkommen zeigen, dass sie offensichtlich unfair und undemokratisch sind (siehe zum Beispiel die Klagen von Vattenfall nach der Energiecharta, den widersprüchlichen Fall der rumänischen Micula-Brüder oder die Drohung eines österreichischen Holzhändlers gegen Rumänien). Trotzdem ist nicht sicher, dass der EuGH das Abkommen kippt. Im Verfahren sahen die EU-Kommission und 26 der 28 Mitgliedstaaten kein Problem mit CETA, lediglich Slowenien argumentierte gegen die Vereinbarkeit mit europäischem Recht. Auch der Generalanwalt der EU veröffentlichte ein Gutachten, das das Abkommen als rechtmäßig ansieht. In den meisten Fällen folgt der EuGH den Gutachten der GeneralanwältInnen.
Doch es gibt auch eine Chance, dass das Gericht in diesem Fall anders entscheidet. Erst letztes Jahr hat es in einem spektakulären Urteil ein slowakisch-niederländisches Investitionsschutzabkommen als nicht vereinbar mit der Autonomie des Unionsrechts erklärt. Dutzende solcher Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten müssen nun aufgehoben werden. Gegen CETA könnte das Gericht genauso argumentieren. An der Autonomie des Unionsrechts und seiner eigenen Rolle als oberstes Gericht im Gefüge der EU hat der EuGH ein gewisses eigenes Interesse.
Das Gericht könnte das Abkommen auch nur in Teilen für problemaisch erklären und Änderungen daran verlangen. Dafür wären aber Verhandlungen mit Kanada und die Zustimmung der Mitgliedstaaten und des Europäischen Parlaments nötig.
Nachdem der EuGH über die Frage Belgiens entschieden hat, könnte die Ratifizierung des Abkommens in Deutschland bald anstehen. Dazu muss das Bundesverfassungsgericht noch eine Klage zur Vereinbarkeit des Abkommens mit dem Grundgesetz entscheiden und der Bundestag und der Bundesrat müssen ein Ratifizierungsgesetz beschließen. Wann ein Ratifizierungsgesetz in den Bundestag eingebracht wird, liegt alleine bei der Bundesregierung und ist daher nicht absehbar. Aber es gilt als wahrscheinlich, dass das Bundesverfassungsgericht auf das Urteil des EuGH wartet und die Bundesregierung auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts.
Sollten die Gerichte das Abkommen akzeptieren, gibt es dennoch genug sachliche Gründe gegen CETA. Wir setzen uns auch weiterhin für eine politische Entscheidung dagegen ein.
Wann das Urteil zu unserer Informationsfreiheitsklage ergeht, ist noch nicht absehbar.
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