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TTIP-Resolution im Handelsausschuss des Europaparlaments: SPD stimmt für Investorenschutz in TTIP
Abstimmung im Handelsausschuss, Foto: Europäisches Parlament
Am 28. Mai hat der Handelsausschuss im Europäischen Parlament über die Resolution zu TTIP abgestimmt. Besonders brisant war dabei die Abstimmung über den Investorenschutz ISDS.
Das Ergebnis: Der Handelsausschuss betont das Bedürfnis von Investoren nach Schutz und lobt die Vorschläge von Handelskommissarin Malmström. Malmström hatte Anfang Mai einige Vorschläge zur Reform von ISDS verbreitet, um die Debatte darüber abzukühlen. Aber auch ein reformiertes ISDS schafft einseitige Sonderrechte für Konzerne und löst die Grundprobleme mit diesem Instrument nicht. Wird die Resolution so auch im Plenum des Parlaments verabschiedet, wird die EU-Kommission das als Bestätigung ihrer bisherigen Linie betrachten und weiter mit den USA über ISDS verhandeln.
Vor der Abstimmung hatten sich im Rahmen unserer Aktion "Zähne zeigen!" etliche Abgeordnete gegen ISDS ausgesprochen, darunter viele aus der SPD. Auch der Vorsitzende des Handelsausschusses und Rapporteur für die Resolution, Bernd Lange (SPD), hat in der Vergangenheit immer wieder betont, dass er ISDS ablehnt.
Doch statt mit Grünen und Linken gegen ISDS zu stimmen, haben die Sozialdemokraten im Handelsausschuss gemeinsam mit Konservativen und Liberalen für ein reformiertes ISDS gestimmt. Besonders dreist: In den Sozialen Medien und über die Presse behaupten Lange und seine Partei, ISDS im Handelsauschuss zu Fall gebracht zu haben. Wer den im Ausschuss verabschiedeten Text anschaut weiß: Das stimmt einfach nicht. Ein "Ja" zu einem Investorenschutz mit kosmetischen Verbesserungen ist eben nicht das gleiche wie ein klares "Nein".
Was ist ISDS?
ISDS steht für Investor-State Dispute Settlement, also etwa: Streitbeilegung zwischen InvestorInnen und Staaten. Dabei handelt es sich um ein System, das internationalen Konzernen ermöglicht, Staaten vor privaten Schiedsgerichten zu verklagen. Wie viele Beispiele zeigen, verliert bei diesem System die Demokratie. Denn ISDS bedeutet mehr Macht für Konzerne und weniger Chancen, unsere Interessen als VerbraucherInnen, ArbeitnehmerInnen und am Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen durchzusetzen.
Wozu dieses System führt, zeigen aktuelle Fälle von Investorklagen auf Grundlage bereits existierender Handelsverträge:
Das schwedische Staatsunternehmen Vattenfall klagt wegen des mit großer Mehrheit im Bundestag beschlossenen Atomausstiegs in Deutschland auf 4,6 Milliarden Euro Schadensersatz.Schon zuvor verhinderte Vattenfall strengere Auflagen gegen das Kohlekraftwerk Moorburg bei Hamburg mit einer Klage vor einem Schiedsgericht.
Der Bankier Julius Meinl will 200 Millionen Euro von Österreich, weil strafrechtliche Ermittlungen das Image und damit den Wert seiner Bank beschädigt haben sollen.
Die Brüder Micula nutzen einen Vertrag zwischen Schweden und Rumänien, um gegen den Wegfall von Subventionen zu klagen, die Rumänien gestrichen hat, weil sie gegen EU-Recht verstoßen.
Der österreichische Holzproduzent Gerald Schweighofer droht der rumänischen Regierung, um einen kartellrechtlichen Paragraphen im neuen Waldgesetz zu verhindern.
Was genau hat der Handelsausschuss zu ISDS beschlossen?
Wer möchte, kann hier einen Blick auf den Originaltext werfen, der heute im Handelsausschuss beschlossen wurde und nun die Basis für die Abstimmung im Plenum bildet. Den Text gibt es bisher nur in englischer Sprache. Darin werden die Vorschläge, die Handelskommissarin Malmström gemacht hat, gelobt und Investorenschutz grundsätzlich als sinnvoll angesehen.
Das Parlament fordert die Kommission auf,
"to ensure the applicability of international agreements, to bring an end to the unequal treatment of European investors in the US on account of existing agreements of Member States; to ensure that foreign investors are treated in a non-discriminatory fashion and have a fair opportunity to seek and achieve redress of grievances while benefiting from no greater rights than domestic investors:
To build on the concept paper recently presented by Commissioner Malmström to INTA Committee on May 7 and the ongoing discussions in the Trade Ministers' Council and to use them as a basis for negotiations on a new and effective system of investment protection, as they provide very welcome proposals for reform and improvement
taking into account the EU's and the US' developed legal systems, to trust the courts of the EU and of the Member States and of the United States to provide effective legal protection based on the principle of democratic legitimacy, efficiently and in a cost-effective manner
to propose a permanent solution for resolving disputes between investors and states which is subject to democratic principles and scrutiny , where potential cases are treated in a transparent manner by publicly appointed, independent professional judges in public hearings and which includes an appellate mechanism, where consistency of judicial decisions is ensured and the jurisdiction of courts of the EU and of the Member States is respected
in the medium term, a public International Investment Court could be the most appropriate means to address investment disputes"
So haben die Abgeordneten aus Deutschland und Österreich zu ISDS gestimmt
Dafür:
Daniel Caspary (CDU)
Bernd Lange (SPD)
Godelieve Quisthoudt-Rowohl (CDU)
Joachim Schuster (SPD)
Joachim Starbatty (AfD)
Jörg Leichtfried (SPÖ)
Dagegen:
Ska Keller (Grüne)
Helmut Scholz (Linke)
Enthaltung:
Franz Obermayr (FPÖ)
Insgesamt haben 29 Abgeordnete dafür und 10 dagegen gestimmt. Zwei haben sich enthalten.
Die TTIP-Resolution droht zum Papiertiger zu werden
Auch wenn ISDS zu Recht viel Aufmerksamkeit erhält: Die Resolution enthält viel mehr als das Thema Investorenschutz. Auch bei den meisten anderen Fragen hat sich jedoch die wachsweiche Linie einer großen Koalition aus konservativen, sozialdemokratischen und liberalen Abgeordneten durchgesetzt. So entschied sich der Handelsausschuss unter anderem dagegen, das Thema Landwirtschaft aus den Verhandlungen komplett herauszunehmen. Selbst bei der sogenannten "Regulatorischen Kooperation", die den Einfluss von LobbyistInnen und BürokratInnen auf die Gesetzgebung stärkt und Parlamente schwächt, konnte sich der Handelsausschuss nicht zu einer Ablehnung durchringen.
Das Abstimmungsergebnis im Handelsausschuss war also eine große Enttäuschung, aber noch ist nichts verloren: Das letzte Wort zur Resolution hat nun das Plenum des Europäischen Parlaments in Straßburg am 10. Juni. In den nächsten Tagen gilt es daher, den Druck auf die Abgeordneten noch einmal zu erhöhen.
Bringen wir unseren Protest auf die Straße!
Demonstrieren Sie mit uns am 4. Juni in München. Anlässlich des G7 Gipfels auf Schloß Elmau wollen wir zeigen: Wir Bürgerinnen und Bürger wollen keine Politik für Konzerne! Wir sind gegen TTIP, CETA und TiSA und für eine gerechte Handelspolitik!
Zeit: 4. Juni 2015 (Fronleichnam) um 14:00 Uhr Ort: Stachus (Karlsplatz) in München