Tausende demonstrieren bunt und vielfältig für Klimagerechtigkeit

Schienenblockade mit Konfetti
(29. August 2017) Es war die größte Protestaktion gegen Kohle, die es in Nordrhein-Westfalen je gab: Etwa 6000 AktivistInnen setzten sich am vergangenen Wochenende über das Rheinische Kohlerevier hinweg mit unterschiedlichsten Aktionsformen für den schnellen Kohleausstieg ein.
Sie blockierten die Schienen der Kohle-Bahn, gingen in den Braunkohle-Tagebau und besetzten einen Bagger, setzten sich auf Zufahrtswege zum Kohlekraftwerk Neurath und bildeten eine gigantische „rote Linie“ aus Menschen im von Rodung bedrohten Hambacher Wald. Mit kreativen Aktionen und friedlichen Blockaden zeigten sie, wie vielfältig und breit verankert in der Gesellschaft der Widerstand gegen die Kohleverbrennung mittlerweile ist.

Ein Protestzug sang einem RWE-Mitarbeiter während einer Gleisblockade ein Geburtstagsständchen, ein Aktivist ließ sich in einem Buch lesend von der Polizei wegtragen, andere warfen Konfetti und sangen Protestlieder, um sich die Zeit während der Besetzung zu vertreiben. Es waren bewegende Bilder, die durch die sozialen Medien und die Presse gingen. Sie transportieren die positive Vision, die für die Demonstrierenden untrennbar mit der Forderung nach dem Kohleausstieg verbunden ist: Sie wollen globale soziale Gerechtigkeit und ein gutes Leben für alle. Das ist nur möglich, wenn es einen Systemwandel gibt, der unser Wirtschaften auf eine völlig andere Grundlage stellt. „System Change not Climate Change“ ist das Motto der zunehmend internationalen Bewegung für Klimagerechtigkeit. Ein Pfeiler davon ist eine drastische Reduktion unserer Energieverbräuche sowie eine dezentrale und demokratische Energieversorgung auf der Basis erneuerbarer Energien.

DemonstrantInnen unterwegs in Richtung Kohlekraftwerk
Ein Effekt der Blockaden war, dass das klimaschädlichste Kraftwerk Deutschlands in Neurath für 20 Stunden um 40 Prozent gedrosselt werden musste. Dabei wurden einige tausend Tonnen CO2 eingespart. Die Versorgungssicherheit war durch diesen Eingriff in die Energieproduktion nicht gefährdet. Denn: Deutschland ist mit Strom überversorgt – der Kohleausstieg kann also problemlos sofort beginnen.
Zeitgleich mit den Protesten ging die Nachricht durch die Presse: Die Stromexporte haben sich in den vergangenen fünf Jahren verzehnfacht. Der Grund dafür: die hohe Produktion aus Braun- und Steinkohlekraftwerken. Bis 2025 könnte der Kohleausstieg abgeschlossen sein. Das ist nicht nur notwendig für die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens, sondern auch technisch machbar.

Ende Gelände-AktivistInnen
Ein Kohleausstiegsgesetz gibt es im Energiewendeland Deutschland bisher nicht. Auch im Wahlkampf spielt das Thema Klimaschutz bei den meisten Parteien keine Rolle. Doch lange wird die Politik diese Haltung des Wegschauens nicht mehr aufrechterhalten können. Denn eine aktuelle emnid-Umfrage zeigt, dass die Mehrheit der Deutschen den schnellen Kohleausstieg will.
Schon in zwei Monaten planen zahlreiche Organisationen und Graswurzelbewegungen die nächsten Aktionen. Anlässlich der im November in Bonn stattfindenden Weltklimakonferenz organisieren das Umweltinstitut und andere NGOs am 4. November eine Demo für den schnellen Kohleausstieg. Nur einen Tag später findet die vom Bündnis „Ende Gelände“ angekündigte Massenaktion zivilen Ungehorsams statt.
Gleichzeitig haben am 5. November die BürgerInnen Münchens die Gelegenheit, auf der lokalen Ebene mit dem Kohleausstieg zu beginnen: An diesem Tag haben die MünchnerInnen im Rahmen eines Bürgerentscheids die Wahl: Geht das klimaschädliche Heizkraftwerk Nord statt 2035 schon 2022 vom Netz? All diese Aktivitäten erfüllen uns mit Vorfreude und Spannung. Denn die vergangenen Tage haben gezeigt: Die Veränderung kommt von unten und die Legitimität der Kohleverstromung bröckelt.
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