Neue Studie belegt dramatisches Insektensterben in Deutschland
Seit 30 Jahren warnt das Umweltinstitut vor den negativen Folgen der intensiven Landwirtschaft. Immer weniger Insekten bedeutet auch immer weniger Vögel.
Foto: Christof Stache
(19.10.2017) Eine neue Studie bringt alarmierende Zahlen zum Artensterben in den Umlauf und bestätigt unsere Weckrufe: Durchschnittlich gibt es in Deutschland 76 Prozent, in den Sommermonaten sogar bis zu 82 Prozent weniger Fluginsekten als noch vor 27 Jahren. Die Autoren der Studie machen dafür vor allem die intensive Landwirtschaft verantwortlich.
Dass das Artensterben massiv voranschreitet ist an sich nichts Neues. Diese Tatsache ist bereits in den Fokus von Wissenschaft, Politik und der breiten Öffentlichkeit gerückt. Doch die nun erschienene Studie zeigt das volle Ausmaß für Fluginsekten auf. Zu Spitzenzeiten (im Sommer) vermeldet die Studie einen Rückgang von 82 Prozent fliegender Insekten. In Deutschland sind in den letzten also mehr als vier Fünftel der Insekten aus der Luft verschwunden.
Die Artenvielfalt ist akut bedroht. Die Bestände von Feld- und Wiesenvögeln, von Insekten und auch von Säugetieren wie dem Feldhamster gehen immer stärker zurück. Das ist nicht nur für die Tiere selbst dramatisch, sondern auch für uns Menschen.
Insekten übernehmen die Bestäubung von Blüten, aus denen sich unser Obst und Gemüse entwickelt. Vögel halten Schädlinge in Schach. Eine Agrarwende hin zu einer umwelt- und gesundheitsverträglichen Landwirtschaft ist längst überfällig. Seit 30 Jahren warnt das Umweltinstitut vor den Folgen der intensiven Landwirtschaft. Es fehlt nicht an Erkenntnissen. Es fehlt an politischem Handeln, um das Artensterben zu stoppen.
Die Zusammenhänge für das Artensterben sind komplex. Es gibt viele Einflussfaktoren und viele Gründe für den Rückgang der Arten.
- Intensive Landnutzung
Die intensive Landwirtschaft hinterlässt eintönige und ausgeräumte Agrarlandschaften. Für Hecken und artenreiche Wiesen, für Bäume, Sträucher und Stauden bleibt kein Platz mehr. Auf riesigen Flächen reiht sich ein Acker an den anderen, nur wenige verschiedene Kulturpflanzenarten wechseln sich auf diesen Äckern ab. Die Felder reichen direkt bis an Waldränder oder Gewässer heran. Versteck- und Nistmöglichkeiten für Feldvögel und auch Lebensräume von anderen Tierarten gehen so verloren. - Insektengifte
Dass Insektengifte Insekten töten, ist nicht verwunderlich. Sie töten nachweislich auch nützliche Insekten und haben Auswirkungen über die Feldränder hinaus bis in Naturschutzgebiete hinein. Die Wirkung von Insektiziden aus der Gruppe der Neonicotinoide ist besonders verheerend, da sie auch in winzigen Mengen tödlich sein können. - Herbizide
Viele Insekten brauchen bestimmte Pflanzen, um sich zu vermehren und zu ernähren. Unkrautvernichtungsmittel töten diese Pflanzen. Dabei ist der Einsatz von Breitbandherbiziden wie Glyphosat besonders schlimm, da ihn kaum ein Kraut überlebt. - Der Chemie-Cocktail
Nicht nur direkt tödliche Chemikalien führen zum Artensterben. Der Cocktail aus Insektengiften, Herbiziden, Fungiziden und anderen Chemikalien aus der Landwirtschaft mit Schadstoffen aus dem Straßenverkehr und der Industrie macht Tiere krank, schwächt sie oder vermindert den Erfolg bei der Fortpflanzung. - Flächenfraß
Der Flächenverbrauch in Deutschland zerstört tagtäglich Lebensräume. Eine Fläche von rund 94 Fußballfeldern pro Tag fällt allein in Deutschland dem Bau von Siedlungen und Straßen zum Opfer. Der Versiegelung des Bodens, das Roden der Wälder und die Zerstückelung der Landschaft raubt vielen Tierarten die Lebensgrundlage und macht eine Wanderung vor allem für Kleinlebewesen unmöglich. Für Fluginsekten ist eine Autobahn ein unüberwindbarer Todesstreifen.
Fast drei Viertel der einheimischen Vogelarten der Äcker und Wiesen stehen auf der aktuellen Roten Liste der Brutvögel Deutschlands. Am stärksten sind jene Arten betroffen, die in Agrarlandschaften leben. Pestizide, auch wieder insbesondere Breitbandherbizide- und Insektizide, vernichten ihre Lebensgrundlagen. Wo es kaum mehr Insekten gibt, fehlt vielen Vögeln die Nahrung.
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