EU-Kommissarin Malmström in der CETA-Zwickmühle
(25. September 2015) Vor genau einem Jahr verkündeten die EU und Kanada das Ende der Verhandlungen über das Freihandelsabkommen CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement). Bei einem Gipfel in Ottawa präsentierten die Regierungen den 1.634 Seiten umfassenden, fertigen Text des Abkommens.
Dass seitdem fast nichts passiert ist, liegt vor allem an der Stärke des Widerstands gegen das Abkommen. CETA gilt als Blaupause für das Abkommen der EU mit den USA, doch es ist sehr viel weniger bekannt als TTIP. Während der immerhin sechs Jahre andauernden Verhandlungenvon 2008 bis 2014 war das Abkommen kaum in den Medien präsent, die Verhandlungen waren extrem intransparent und eine öffentliche Diskussion fand wenn dann nur am Rande von TTIP-Debatten statt – als das Abkommen schon fast fertig war. Doch inzwischen kennen wir den vollständigen Text.

Ratlos: EU-Handelskommissarin Malmström, Foto: ALDE Communications
Offiziell befindet sich CETA seit einem Jahr in der Rechtsförmigkeitsprüfung. Dahinter verbirgt sich eine Phase von formalen Prüfungen, die eigentlich längst abgeschlossen sein sollte. Handelskommissarin Malmström kündigte schon mehrfach an, dass sie bald beendet ist – bisher konnte kein Termin gehalten werden.
Der Hintergrund ist ein politischer: Die EU-Kommission weiß, dass es momentan schwierig wäre, ein Abkommen mit Schiedsgerichten für Investitionsschutz (ISDS) durchzusetzen und wartet deshalb erst einmal ab. Diese Phase wird noch mindestens so lange dauern, bis nach den Wahlen in Kanada am 24. Oktober die neue kanadische Regierung steht.
- Das Abkommen geht unverändert in den Ratifizierungsprozess. Das ist das, was die Kommission will. Malmström hat mehrfach gesagt, dass CETA nicht mehr verändert wird. Auch die momentane kanadische Regierung unter dem konvervativen Ministerpräsidenten Stephen Harper will das Abkommen unbedingt so durchbringen.
- Es gibt kosmetische Veränderungen am Investitionsschutzkapitel, ohne dass die Verhandlungen neu eröffnet werden. Die EU-Kommission könnte so versuchen, das Europäische Parlament zu beschwichtigen. Wenn die Sozialdemokratische Partei die Wahlen in Kanada gewinnt, könnte sie versuchen, mit einem solchen Vorschlag das Gesicht vor den freihandelskritischen WählerInnen zu bewahren.
- Eine ernsthafte Nachverhandlung des Abkommens ist unwahrscheinlich, denn das würde den Gesamtkompromis, den das Abkommen zwischen verschiedenen Interessengruppen darstellt, gefährden. Die Verhandlungen würden dann wieder richtig losgehen. Für die Kommission wäre das eine große Niederlage und es würde die TTIP-Verhandlungen sehr viel schwieriger machen.
- Es passiert nichts. Wenn der Widerstand zu groß ist, könnte die Kommission weiter auf Zeit spielen. Im Extremfall so lange, dass CETA, TTIP und Co. de facto niemals kommen.
Mit unserem Protest, mit den Online-Aktionen, Demos, Aktionstagen und der Europäischen Bürgerinitiative haben wir das Europäische Parlament und viele nationale Regierungen massiv unter Druck gesetzt.
Die Kommission hat ein ernsthaftes Problem: Wenn sie CETA nicht mehr verändert, riskiert sie ein Scheitern im Ratifizierungsprozess. Wenn sie es noch ändert, ist das eine Niederlage, das Projekt ist um Jahre zurückgeworfen und die Verhandlungen über TTIP werden dadurch belastet.
Die Auseinandersetzung um CETA wird wahrscheinlich die nächste heiße Phase im Kampf gegen undemokratische und unfaire Freihandelsabkommen. Wir müssen verhindern, dass das Abkommen ratifiziert wird. Das wird nicht einfach. Doch wir haben eine ernsthafte Chance, dass diesem ersten Jahr ohne CETA viele weitere folgen.
Noch können wir CETA und TTIP stoppen! Deshalb rufen wir für den 10. Oktober 2015 zusammen mit Gewerkschaften, Sozial- und Umweltverbänden, kultur-, demokratie- und entwicklungspolitischen Organisationen zu einer Großdemonstration in Berlin auf.

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