Das ist der Gipfel!
(14. Dezember 2015) Am Samstag endete der 21. UN-Klimagipfel mit der Unterzeichnung eines internationalen Klimavertrags durch alle 195 Staaten. Seitdem ist die Euphorie in Politik und Medien – und zum Teil auch bei Umwelt- und Entwicklungsorganisationen – riesig. Sogar die kritische tageszeitung (taz) empfiehlt ihren LeserInnen, die Bio-Sektkorken knallen zu lassen. Aber ist so viel Jubel angesichts der Beschlüsse wirklich angebracht? Wird dieser Vertrag das Klima retten?
In der Tat gibt es zwei handfeste Errungenschaften der Klimakonferenz in Paris: Erstmals in der Geschichte der Klimadiplomatie gibt es ein Abkommen, das von allen Staaten unterzeichnet wurde und damit einen von allen Ländern getragenen Konsens für globalen Klimaschutz. Zudem wurde das 1,5 Grad-Ziel in den Vertrag aufgenommen. Damit erkennen die Unterzeichner an, dass das bisher formulierte Zwei Grad-Ziel nicht ausreicht, um katastrophale Auswirkungen in besonders verletzlichen Ländern des Südens zu verhindern und stellen klar, dass die Interessen dieser Staaten im Sinne internationaler Solidarität berücksichtigt werden. Doch kann man diese Aussagen nicht stehen lassen, ohne sofort klarzustellen: Diese Erfolge sind rein symbolisch. Denn der Klimavertrag enthält keine verbindlichen Emissionsbeschränkungen und die wichtigste Maßnahme ist nicht verankert worden: die Abkehr von den fossilen Energien.
Die von den einzelnen Staaten angestrebten Emissionsminderungen sind nicht nur rein freiwillig – sie reichen auch bei Weitem nicht aus, um das Zwei Grad-Ziel zu erreichen oder gar die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Die Diskrepanz zwischen den im Vertrag formulierten Zielen und den festgelegten Maßnahmen ist enorm. Nach offiziellen Berechnungen wäre die Folge, sofern die Emissionsreduktionen komplett umgesetzt würden, eine Erwärmung um 2,7 Grad.
Zusätzlich bleibt dabei ein wichtiges Detail meist unerwähnt: Diese Modelle gehen davon aus, dass die tatsächliche Verringerung des Ausstoßes von Treibhausgasen durch „negative Emissionen“ ergänzt wird, dass also bisher nicht ausgereifte und aufgrund ihrer Risiken umstrittene Techniken wie Carbon Capture and Storage (CCS – Abscheidung und Speicherung von CO2) zum Einsatz kommen. Verlässt man sich hingegen nicht auf derartige Scheinlösungen, steuert die Welt mit den im Klimavertrag festgelegten Maßnahmen auf eine Erwärmung um 3,5 bis vier Grad bis zum Ende dieses Jahrhunderts zu.
Das heißt im Klartext: Ja, alle Staaten haben sich geeinigt, aber auf einen gefährlichen Minimalkompromiss. Auf ebenso wackligen Beinen steht die Freude über den „faktischen Abschied von Kohle, Öl und Gas“. Dieser ist durch die Beschlüsse des Pariser Gipfels keineswegs vorgezeichnet. Im Gegenteil: Das im Vorfeld vielbeschworene Wörtchen „Dekarbonisierung“ flog aus dem finalen Dokument hinaus, der notwendige Ausstieg aus den fossilen Energien wird bewusst im gesamten Vertragstext nicht erwähnt.
Einen bitteren Beigeschmack hat auch die Weigerung von USA und EU, Schadenersatzverpflichtungen für Verluste und Schäden durch den Klimawandel einzugehen. Stattdessen werden den Staaten, die am meisten unter den Auswirkungen leiden, von den Hauptverursachern des Klimawandels gönnerhaft Hilfsleistungen angeboten: Die Industrieländer verpflichten sich, ab 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar zu zahlen, 2025 soll die Höhe neu verhandelt werden. Wohlhabende Nicht-OECD-Länder werden ermutigt, ebenfalls freiwillig Unterstützungen zu leisten. Diese Gelder sind jedoch bei weitem nicht ausreichend, um die Kosten für Klimawandelanpassung und –mitigation in den ärmeren Ländern zu stemmen.
Die Klimaziele der einzelnen Länder sollen ab 2018 im Fünfjahresrhythmus überprüft und gegebenenfalls verbessert werden. Doch auch hier müssen die Staaten nur Pläne ohne eine Verpflichtung zu deren Umsetzung vorlegen. Zudem besteht über die Unzulänglichkeit der beschlossenen Maßnahmen bereits jetzt absolute Klarheit. In krassem Gegensatz zur Dringlichkeit sofortigen Handelns gewähren sich die Länder weiteren Aufschub und nehmen damit in Kauf, dass erneut wertvolle Jahre für konsequenten Klimaschutz verloren gehen. Trotz symbolischer Schritte: Der Vertrag schützt nicht das Klima, sondern die Interessen der Wirtschaft.
Umso mehr ist es jetzt die Aufgabe der Zivilgesellschaft sowie der Politik, glaubwürdige und wirkungsvolle klimapolitische Maßnahmen auf nationaler Ebene umzusetzen. Es darf kein weiteres Fiasko wie das des G7-Gipfels geben, als Angela Merkel medienwirksam die Dekarbonisierung verkündete und direkt im Anschluss den Einstieg in den Kohleausstieg verhinderte. Stattdessen muss die Bundesregierung jetzt, wie von Umweltministerin Hendricks angekündigt, im neuen Jahr einen Kohle-Konsens beschließen sowie die Anstrengungen in der Energieeffizienz radikal verstärken. Vor allem aber muss auch eine langfristige Strategie entwickelt werden, wie eine Wirtschaft in Deutschland aussehen kann, die bis zur Mitte des Jahrhunderts, also in nur 35 Jahren, fast vollständig emissionsfrei arbeitet.
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