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CETA tritt vorläufig in Kraft

kanadische und europäische Flagge

Grafik: daboost - Fotolia

(21.9.2017 Brüssel/Ottawa) Mit einem halben Jahr Verspätung tritt heute das europäisch-kanadische Handels- und Investitionsabkommen CETA vorläufig in Kraft.

Das bedeutet, dass die Teile des Abkommens, die alleine in der Kompetenz der Europäischen Union liegen, ab heute gelten. Die Teile, die auch oder nur die Kompetenzen der Mitgliedsstaaten betreffen, treten erst in Kraft, wenn alle nationalen Parlamente das Abkommen ratifiziert haben. Lehnt nur eines davon das Abkommen ab, scheitert es insgesamt und die Kommission muss es kündigen. Die Auseinandersetzung um CETA ist also noch nicht beendet.

Trotz vorläufiger Anwendung: Wir können CETA noch stoppen!

Es gibt noch realistische Chancen, das Abkommen zum Scheitern zu bringen.

  • In Deutschland werden wir es der nächsten Bundesregierung nicht einfach machen, das Abkommen durch den Bundestag zu bringen. Wenn die Ratifizierung ansteht, ist auch unser Widerstand wieder da!

  • In Deutschland wird außerdem der Bundesrat über CETA abstimmen. Dort haben Regierungen mit Grüner und/oder Linker Beteiligung eine große Sperrmehrheit von 47 von 69 Stimmen. Vor allem auf die schwarz-grün regierten Bundesländer werden wir jedoch viel Druck aufbauen müssen, um sie von der Zustimmung abzuhalten.

  • Auch in Österreich wird der Nationalrat erst nach der Wahl im November abstimmen. Da die österreichische Bevölkerung CETA in großer Mehrheit ablehnt und es im Januar 2017 ein erfolgeiches (aber nicht bindendes) Volksbegehren gegen CETA gab, gibt es hier eine gute Chance, das Abkommen noch zu verhindern.

  • In Italien wird ebenfalls sehr bald gewählt. Doch während Merkel das Thema aus dem Wahlkampf heraushält, würde die Regierung von Ministerpräsident Gentolini es am liebsten noch vor der Wahl durch den Senat prügeln. Dagegen wehren sich unsere Verbündeten in Italien mit der Kampagne #CETAfuroidalSenato.

  • In den Niederlanden sammelt ein großes Bündnis Unterschriften für ein Referendum über CETA. Schon über 200.000 Unterschriften sind zusammengekommen. 300.000 werden benötigt.

  • Das Abkommen könnte zudem vor Gericht scheitern. Unter anderem muss das deutsche Bundesverfassungsgericht noch entscheiden, ob CETA mit dem Grundgesetz konform ist. Die belgische Regierung hat zudem dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob es mit den europäischen Verträgen vereinbar ist.
Wie geht es mit der Ratifizierung weiter?
Aktion gegen CETA in München

Protestaktion gegen CETA, Bild: Christof Stache

Es gibt drei mögliche Szenarien, was bei der Ratifizierung herauskommen kann:

  • Wenn alle EU-Mitgliedsstaaten das Abkommen ratifizieren, tritt es vollständig und dauerhaft in Kraft. Einige nationale Parlamente haben dem Abkommen schon zugestimmt, so zum Beispiel Kroatien, Lettland und Spanien. Es kann mehrere Jahre dauern, bis die nötigen Prozesse in allen Mitgliedsstaaten abgeschlossen sind.

  • Wenn nur ein Mitgliedsstaat das Abkommen ablehnt, ist die Ratifizierung gescheitert. Die EU-Kommission muss das Abkommen dann wieder kündigen. Im Kapitel 30, das die technischen Details des Abkommens selbst regelt, sind Verfahren festgelegt, wie es dann ausläuft.

  • Es ist möglich, dass die vorläufige Anwendung zu einer Dauereinrichtung wird. In einer Koalition zwischen Parteien, die für und gegen CETA sind, könnte es ein Kompromis sein, das Abkommen erst gar nicht dem Parlament vorzulegen. Dann könnten die CETA-GegnerInnen in der Koalition die Schiedsgerichte verhindern, ohne dass das ganze Abkommen scheitert. Auch wenn dauerhaft eine nationale Regierung, die für CETA ist, keine Mehrheit von zustimmungspflichtigen regionalen Gremien hat, könnte es passieren, dass der Ratifizierungsprozess einfach nicht beendet wird.

Das dritte Szenario wäre ein Novum. Es ist aber legal, da die Teile, die in der vorläufigen Anwendung sind, auch schon in Kraft sein könnten, wenn die Kommission ein Abkommen verhandelt hätte, das die Mitgliedsstaaten überhaupt nicht betrifft. Das Europäische Parlament und die nationalen Regierungen haben dem Abkommen bereits zugestimmt.

Welche Teile treten wann in Kraft?

Mit der vorläufigen Anwendung treten all die Teile in Kraft, die ausschließlich in der Kompetenz der Europäischen Union liegen. Das ist die gesamte klassische Handelspolitik, also Zölle und Importquoten. Zudem liegen die meisten Regulierungen, die Auswirkungen auf den Binnenmarkt haben, in der Kompetenz der Union. Das ist logisch, weil im Binnenmarkt Waren ohne weitere Kontrollen gehandelt werden und so z.B unterschiedliche Grenzwerte für Pestizidrückstände leicht zu umgehen wären. Deshalb können auch die Teile in Kraft treten, die mit der Angleichung oder Anerkennung von Regeln zu tun haben und die Foren für die Regulatorische Kooperation nehmen ihre Arbeit auf.

Vergleichsweise wenige Dinge, die in der Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten liegen, sind in CETA geregelt. Doch ein zentraler und besonders kritischer Teil des Abkommens betrifft auch die Mitgliedsstaaten: Der Investitionsschutz mit seinen Investor-Staat-Schiedsgerichten gilt erst, wenn das Abkommen vollständig ratifiziert ist. Außerdem fallen Portfolioinvestitionen in die Kompetenz der Mitgliedsstaaten. So gilt das Abkommen vorläufig bereits für den Bereich der Direktinvestitionen, bei denen Personen oder Firmen in ein Unternehmen investieren und dann Kontrolle darüber ausüben. Für Portfolioinvestitionen, bei denen es nur um Rendite geht und nicht um Kontrolle, also z.B. durch Wertpapiere oder Kreditvergabe, gilt es erst nach der vollständigen Ratifizierung.

Gilt die vorläufige Anwendung sofort?

Die vorläufige Anwendung gilt ab heute. Das bedeutet aber nicht, dass alles sofort gilt, denn das Abkommen ist in sich an vielen Stellen zeitlich gestuft oder in die Zukunft ausgerichtet.

  • Ab sofort gelten zum Beispiel die meisten Rechte für den Marktzugang und die Zölle, die abgeschafft werden, sind jetzt abgeschafft.

  • Viele Bereiche der klassischen Handelspolitik sind aber gestuft: So erhöhen sich zum Beispiel die Importquoten für Fleisch aus Kanada über sieben Jahre jährlich und viele Zölle werden in Fünf-Jahres-Schritten immer weiter gesenkt.

  • Die Regulatorische Kooperation und die vielen Kooperationsforen nehmen jetzt ihre Arbeit auf. Es wird aber lange dauern, bis die Kooperationsgespräche Ergebnisse bringen und diese dann umgesetzt werden.

Viele Veränderungen, die CETA bringen wird, machen sich also eher schleichend bemerktbar.

Warum hat es so lange gedauert, bis CETA vorläufig in Kraft tritt?

Das Abkommen hätte sehr bald in Kraft treten können, nachdem im Februar das Europäische Parlament zugestimmt hat. Die Kommission hatte urspründlich bereits für den 1. März die vorläufige Anwendung angekündigt. Doch der Termin musste immer wieder verschoben werden.

Grund dafür ist der beharrliche Widerstand der Zivilgesellschaft in Kanada. Kanadische Provinzen konnten das Abkommen zwar nicht stoppen, müssen aber Teile davon in Provinzgesetze umsetzen. Das wurde genutzt, um das Abkommen zu verzögern.

Was bedeutet der Brexit für CETA?
Der Union Jack

Will Freihandel ohne die EU: Das Vereinigte Königreich.

Wenn das Vereinigte Königreich aus der Europäischen Union austritt, gelten auch alle Abkommen, die die Union geschlossen hat, nicht mehr für Großbritannien und Nordirland. Da der Brexit vollzogen sein wird, bevor die Ratifizierung des Abkommens abgeschlossen ist, wird das britische Unterhaus wahrscheinlich nicht mehr darüber abstimmen.

Da das Vereinigte Königreich den Großteil des Handels zwischen Kanada und der EU ausmacht, sinkt der Wert des Abkommens für die kanadische Wirtschaft durch den Brexit beträchtlich. Es bleibt aber ein Instrument für die Großindustrie, um ihre Interessen durchzusetzen.

Die Regierung in London, die innerhalb der EU immer eine besonders freihandelsfreundliche Linie hatte, möchte selbst weitgehende, bilaterale Freihandelsabkommen aushandeln und setzt dabei besonders auf die ehemaligen Kolonien wie Kanada, die USA, Australien oder Indien. Ob das klappt ist sehr umstritten.

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