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Brennelementesteuer-Urteil: Bundesregierung hat beim Atom-Deal geschlampt

(7. Juni 2017) Nun ist es amtlich: Die Atom-Finanz-Kommission und mit ihr die Bundesregierung ist den Energiekonzernen auf den Leim gegangen. Das Bundesverfassungsgericht urteilte heute, dass die Brennelementesteuer „nicht mit dem Grundgesetz vereinbar und nichtig“ sei. Damit können die Unternehmen Ansprüche auf Steuerrückzahlungen in Höhe von über sechs Milliarden Euro, mit Zinsen rund sieben Milliarden Euro, geltend machen.  

Die Vorgeschichte: Der Atommüll-Deal

Ende 2016 beschloss der Bundestag das Gesetzespaket zur Finanzierung der Atom-Folgekosten für Kraftwerksrückbau und Atommülllagerung. Teil dieser Regelungen ist ein öffentlich-rechtlicher Fonds, an den die Atomkonzerne insgesamt rund 24 Milliarden Euro überweisen müssen. Schon diese Einzahlungen werden nach Einschätzung von Fachleuten am Ende nicht ausreichen, um die unkalkulierbaren Kosten der Atommülllagerung zu decken. Daher forderte das Umweltinstitut wie auch andere Organisationen vehement, dass es zumindest eine Nachschusspflicht geben müsse: So hätte das Verursacherprinzip gewahrt werden können, wenn die Kosten steigen.

Ein Viertel der Einzahlungen gehen an die Atomkonzerne zurück

Die Bundesregierung jedoch verzichtete darauf und ließ zu, dass sich die Energiekonzerne mit dieser einmaligen Zahlung von jeglicher Verantwortung für ihren Müll freikaufen. Gleichzeitig machte sie es Eon, RWE und Co. nicht einmal zur Bedingung, sämtliche Klagen gegen den deutschen Staat fallenzulassen. Dazu gehört die heute entschiedene milliardenschwere Klage gegen die Steuer auf atomare Brennstoffe genauso wie die Vattenfall-Klage wegen des Atomausstiegs mit einem Streitwert von 4,7 Milliarden Euro, die ebenfalls in den nächsten Wochen entschieden wird.

Auf diese Weise ließ sich die Regierung von den Atomkonzernen über den Tisch ziehen: Werden die sechs Milliarden Euro gezahlte Brennelementesteuer rückerstattet, geht ein Viertel der für die Atom-Folgekosten an den Staat überwiesenen Geldmittel postwendend wieder an die Konzerne zurück. Gewänne Vattenfall tatsächlich auch die Atomausstiegsklage vor dem Schiedsgericht in Washington, gingen den Steuerzahler*innen insgesamt rund 11 Milliarden und damit fast die Hälfte des in den Atommüll-Fonds eingezahlten Betrags verloren. Der Atom-Deal würde so endgültig zur Farce.  

Die fehlende Nachschusspflicht rächt sich nun

Die fehlende Verankerung der Nachschusspflicht im Atommüll-Gesetzespaket rächt sich nun: Der Staat kann sich die fehlenden Mittel nicht einfach auf diesem Wege von den Verursachern der Atom-Folgekosten zurückholen. Aber: Der Deal zwischen Regierung und AKW-Betreibern basierte auf der Grundlage, dass die Brennelementesteuer bis Ende 2016 bezahlt wird. Argument für die Befreiung der Energiekonzerne von der Haftung für alle zukünftigen Kostenrisiken war die Zahlung eines „Risikoaufschlags“ in Höhe von sechs Milliarden Euro – also etwa dem Betrag, der nun an die Betreiber zurückgeht.

Bestehen diese Grundlagen nicht mehr und der Risikoaufschlag fällt summarisch aus, sollte die Bundesregierung die rechtlichen und gesetzlichen Möglichkeiten prüfen, die Einzahlungen in den Atommüll-Fonds um die entsprechende Summe zu erhöhen. Eine weitere Möglichkeit: Das Finanzministerium kann eine verfassungskonforme Neuauflage der Brennelementesteuer einführen. So könnten in den nächsten Jahren die Steuergelder, die jetzt an die Atomkonzerne zurückgezahlt werden, wieder in die Staatskasse fließen. SPD, Die Grünen und Die Linke haben solche Forderungen bereits geäußert. 

Das Bundesverfassungsgericht begründet sein Urteil damit, dass es sich nicht um eine Verbrauchsteuer, sondern eine davon abweichende Steuerart handele, für die der Bund laut Verfassung kein „Steuererfindungsrecht“ besitze. Im Gegensatz dazu hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) 2015 geurteilt, dass die Brennelementesteuer nicht gegen europäische Gesetzesgrundlagen wie die Energiesteuer-Richtlinie, die Verbrauchsteuer-Richtlinie oder EU-Wettbewerbsrecht verstoße.

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