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30 Jahre Tschernobyl - noch immer nicht gegessen

(26.04.2016) Gerade einmal eine Halbwertszeit (HWZ) ist seit dem katastrophalen Atomunfall in Tschernobyl vergangen. Vor 30 Jahren ereignete sich das, was eigentlich nie vorkommen sollte: ein nuklearer Unfall mit massiver radioaktiver Freisetzung. Weite Teile Europas wurden durch Fallout und Washout der radioaktiven Wolke kontaminiert, in Deutschland hat es vor allem Südbayern getroffen.

Neben Jod-131, Cäsium-134 oder Strontium-90 verseuchte auch Cäsium-137 unsere Böden. Dieses Nuklid hat eine Halbwertszeit von 30,2 Jahren, ist gut nachweisbar und gilt deshalb als Leitnuklid. Nach etwa zehn Halbwertszeiten, also in gut 300 Jahren, ist das Nuklid zerfallen.

Wie es zu dem folgenschweren Unfall in Tschernobyl kam, können Sie hier nachlesen.

Versagen der Behörden

Die Behörden waren mit der Situation völlig überfordert. Anstatt die Menschen über die aktuelle Belastungssituation zu informieren, hielten sie alle Daten zurück und ließen die Bürgerinnen und Bürger im wahrsten Sinne im radioaktiven Regen stehen. Wenn rechtzeitig Informationen mit Handlungsempfehlungen gegeben worden wären, hätte viel Schaden abgewendet werden können. Insbesondere Kinder waren (und sind) die Leidtragenden, denn sie reagieren weitaus sensibler auf Radioaktivität als gesunde Erwachsene.

Deshalb wurde das Umweltinstitut München e.V. von engagierten BürgerInnen gegründet und übernahm diese Aufgabe: Wir führten Radioaktivitätsmessungen durch, gaben die Ergebnisse zusammen mit Empfehlungen an die Bevölkerung und die Medien und informierten die Menschen über die Gefahren.

Tschernobyl - noch nicht gegessen

Die Folgen sind heute noch messbar: In Waldprodukten wie Pilzen, Waldbeeren und Wildfleisch ist Cäsium-137 aufgrund seiner langen Halbwertszeit noch immer mit Werten in fünfstelliger Höhe nachweisbar. Kürzerlebige Nuklide wie Jod-131 (HWZ 8 Tage) und Cäsium-134 (HWZ 2 Jahre) sind inzwischen ganz oder weitgehend zerfallen.

Bei Pilzen sind vor allem Maronenröhrlinge, Semmelstoppelpilze und andere Röhrenpilzarten betroffen, bei Waldbeeren sind es Preiselbeeren und Heidelbeeren und bei Wild allen voran Wildschweine. Werte von deutlich über 10.000 Bq/kg sind bei den Schwarzkitteln keine Seltenheit.

Unsere interaktiven Karten zur radioaktiven Belastungssituation von Pilzen und Wildschweinen finden Sie auf unserer Homepage.

Erst Fukushima brachte die Wende

Um einen parteiübergreifenden Atomausstieg zu erreichen, brauchte es aber noch einen weiteren Unfall, 25 Jahre später in Japan. Erst dieses Ereignis hat aufgerüttelt, denn erstmals gab es eine Kernschmelze in einem Atomreaktor mit so genannten westlichen Sicherheitsstandards.

Die Atomeuphorie hat zumindest in der westlichen Welt deutlich nachgelassen. Selbst eingefleischte Atomkonzerne haben inzwischen zugegeben, dass sich Neubauten von Atomkraftwerken nicht mehr lohnen. Der Strompreis an der Börse ist – dank des steigenden Anteils der erneuerbaren Energien – drastisch gesunken, die zunehmenden sicherheitstechnischen Anforderungen treiben die Kosten ins Unwirtschaftliche. Neubauambitionen gibt es nur noch, wenn staatliche Subventionen erlaubt sind.

Das Risiko eines weiteren Unfalls ist hoch

Weil aber alle Länder versäumten für Ersatz für die alternden Atommeiler zu sorgen, werden die Laufzeiten der alten Reaktoren kurzerhand verlängert – trotz teils gravierender Sicherheitsmängel. Aktuelle Beispiele sind Risse in belgischen Reaktoren, die zu erheblicher und berechtigter Sorge in den Nachbarländern führen. Französische AKWs, die unmittelbar an der deutschen Grenze stehen, sind sicherheitstechnisch miserabel und sollten längst abgeschaltet sein. Und schließlich haben jüngst Enthüllungen über Betrug bei Kontrollen in deutschen AKWs die angeblich hohe Sicherheit infrage gestellt. So wurden bei vorgeschriebenen Sicherheitschecks Prüfungen zwar dokumentiert, aber nicht durchgeführt.

Wir müssen uns von der Atomkraft unverzüglich verabschieden, bevor ein weiterer Unfall im dicht besiedelten Europa passiert. Frankreich, mit 54 aktiven, zum Teil maroden Atomkraftwerken ist für das angrenzende Deutschland ein Pulverfass. Bei überwiegend westlicher Strömung wären wir unmittelbar betroffen. Aber auch in Deutschland muss der Atomausstieg schneller umgesetzt werden als geplant. Dies ist nachweislich möglich, es muss politisch nur gewollt sein.

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