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Energiewende: Was tun gegen den Fachkräftemangel?

Foto von Ralf Kutzner

Ralf Kutzner ist geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall und gelernter KFZ-Mechaniker (Foto:IG-Metall)

50 Prozent des in Deutschland erzeugten Stroms stammen heute aus erneuerbaren Quellen. In nur acht Jahren soll dieser Anteil auf 80 Prozent steigen. Der Stromverbrauch wird gleichzeitig durch Elektro-Autos und Wärmepumpen weiter steigen. Um dieses Ziel zu erreichen, muss der Neubau von PV-Anlagen und Windrädern um ein vielfaches schneller erfolgen als in den letzten Jahren. Doch wer kann die benötigten Anlagen bauen und installieren?

Mit Ralf Kutzner, geschäftsführendem Vorstandsmitglied der IG-Metall, haben wir darüber gesprochen, was aus Sicht der Gewerkschaft jetzt passieren muss.

Herr Kutzner, Wirtschaftsminister Robert Habeck hat kürzlich sein Ziel bekräftigt, bis 2030 den Anteil erneuerbaren Stroms auf 80 Prozent zu steigern – trotz eines durch Elektro-Autos und Wärmepumpen steigenden Stromverbrauchs. Was braucht es dafür?

Ralf Kutzner: Die Klima- und Energiewende ist ehrgeizig und richtig. Sie erfordert aber Tempo und einen gemeinsamen Kraftakt, insbesondere von Politik und Unternehmen. Große Ziele erfordern Unmengen an kleinen Schritten dorthin. Mehr Erneuerbare bedeuten schließlich auch die Infrastruktur dafür: Speichertechnik, Stromleitungen durchs Land, intelligente Stromnetze auch in den einzelnen Häusern bis hin zu 500.000 benötigten Ladesäulen. Und nicht zuletzt muss bei dem nötigen Umbau unserer Industrie jede:r Beschäftigte:r eine gute Perspektive haben. Ohne soziale Sicherheit wird auch die Energiewende nicht sicher sein.

„190.000 Fachkräfte fehlen“

Solar-Anlagen auf Privathäusern haben den großen Vorteil, dass dafür keine neuen Flächen benötigt werden. Viele Hausbesitzer:innen machen sich aktuell Gedanken über eine eigene Photovoltaik-Anlage oder eine Wärmepumpe, müssen aber lange auf einen Termin bei einem Fachbetrieb warten. Woran liegt das?

Ralf Kutzner: Das ist nicht nur für Kund:innen ärgerlich, sondern macht uns auch Sorgen: Allein in den Gewerken rund um die energetische Gebäudesanierung fehlen bereits 190.000 Fachkräfte. Das Handwerk hat inzwischen hoch anspruchsvolle Berufe, aber viele Unternehmen haben die Beschäftigten vernachlässigt. Das Handwerk hat in Deutschland eine immer noch überdurchschnittlich hohe Ausbildungsquote. Aber zwei Drittel der Handwerker:innen wandern jedoch lieber in die Industrie oder andere Wirtschaftsbereiche ab, weil sie sich dort etwa auf einen guten IG Metall-Tarifvertrag verlassen können: mit Arbeitsbedingungen wie einer 35-Stunden-Woche, Qualifizierungen, Alterssicherung…  Das Gros der Handwerksbetriebe hat den Wert der Tarifbindung noch nicht verstanden – und deshalb zu wenig Leute.

 Was müsste passieren, damit mehr Menschen in diese Betriebe gehen? Gibt es Maßnahmen, die kurzfristig wirken könnten?

Ralf Kutzner: Gute, in Tarifverträgen abgesicherte Arbeitsbedingungen sind das beste Werbeargument für Beschäftigte. So ließen sich bestimmt auch manche in die Industrie abgewanderte Handwerker:innen zurückgewinnen.

„Energiewende ist Querschnittsaufgabe für gesamte Wirtschaft“

Welche Ausbildungsberufe spielen eine besondere Rolle bei der Energiewende?

Ralf Kutzner: Das Projekt Energiewende ist eine Querschnittsaufgabe für die gesamte Wirtschaft. Viele Berufe sind betroffen. Im Gebäudesektor sind dies insbesondere die Bau- und Ausbauberufe. Im Zuständigkeitsbereich unserer Gewerkschaft sind das beispielsweise das Sanitär-, Heizung- und Klimahandwerk, das Elektrohandwerk, das Tischler- und Schreinerhandwerk sowie das Metallbauerhandwerk. In diesen Berufen besteht schon heute eine wachstumshemmende Fachkräftelücke. Die IG Metall setzt sich dafür ein, die Anforderungen des Klimawandels an die Ausbildung in den Berufen umzusetzen. Daher haben wir gemeinsam mit den Arbeitgeber:innen beispielsweise im Elektrohandwerk einen völlig neuen Beruf entwickelt: den/die Elektroniker:in für Gebäudesystemintegration. Unverzichtbar ist aber auch, die bestehenden Fachkräfte weiter zu bilden.

„Förderzusagen sollten nur für tarifgebundene Betriebe gelten“

Was muss die Bundesregierung gegen den Fachkräftemangel beim Ausbau der Erneuerbaren tun?

Ralf Kutzner:  Sie muss ihre Ziele mit konkreten Schritten und einem ehrlichen Monitoring hinterlegen, der auch Ausmaß und Ursachen des Fachkräftemangels in den einzelnen Gewerken untersucht. Und: Es ist richtig und wichtig, dass es staatliche Förderprogramme für Erneuerbare gibt. Aber: Es ist nicht einzusehen, dass davon auch Billig- und Schmutzbetriebe profitieren. Förderzusagen etwa von der KfW sollten deshalb nur für Aufträge an tarifgebundene Betriebe gelten.

Wer könnte abseits der Bundesregierung das Thema voranbringen? Was erwarten Sie beispielsweise von den Handwerksinnungen?

Ralf Kutzner: Wir müssen alle verstehen, dass wir jetzt die Chance haben, eine jahrzehntelange Fehlentwicklung im Handwerk zu beenden. Wir brauchen deshalb eine solide und attraktive Struktur in den Unternehmen mit Entwicklungschancen für die Beschäftigten. Fatal wäre es jetzt, mit billigen Schnellqualifizierungen für bestimmte Teilbereiche Menschen rekrutieren zu wollen. Wir brauchen gut ausgebildete Fachkräfte, die auch die Gewerke um sie herum kennen und verstehen – und keine Ex-und-hopp-Mentalität, bei der unsere Kolleg:innen beim nächsten Techniksprung wieder auf der Straße landen.

Vielen Dank für das Gespräch!

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