CETA-Interpretationserklärung unwirksam!
Scholz und Trudeau - CETA-Interpretationserklärung unwirksam
(25.8.2022) Anfang dieser Woche reiste Bundeskanzler Olaf Scholz zusammen mit Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck nach Kanada. Neben LNG, Wasserstoff und kritischen Rohstoffen ging es wie erwartet auch um CETA. Wenn es nach der deutschen Bundesregierung geht, soll das völlig veraltete Abkommen noch dieses Jahr ratifiziert werden. Um den öffentlichen Druck zu besänftigen, hat sie dafür eine Interpretationserklärung zum Investitionsschutzkapitel (Kap. 8) angekündigt, die das Klagerecht auf Fälle der direkten Enteignung und den Diskriminierungsschutz beschränken sollen. Eine neue juristische Untersuchung im Auftrag des Umweltinstituts zeigt: Dieser Plan funktioniert nicht!
Anlässlich der Kanadareise von Bundeskanzler Olaf Scholz und im Vorfeld der angekündigten Ratifizierung des Handels- und Investitionsschutzabkommens zwischen der EU und Kanada (CETA) durch den deutschen Bundestag haben wir gemeinsam mit der deutschen und kanadischen Zivilgesellschaft ein sehr breit getragenes Statement veröffentlicht, welches unsere anhaltende Ablehnung gegenüber CETA zum Ausdruck bringt. Darin heißt es: “CETA schützt einseitig Konzerninteressen, indem es demokratische Willensbildung untergräbt und wirksame Politik zum Schutz von Klima, Umwelt und dem Sozialen verhindert.” und weiter: “Angesichts der Klima- und Energiekrise würde die vollständige Ratifizierung von CETA einer Transformation unserer Volkswirtschaften und dem Ausstieg aus fossilen Energien nur Steine in den Weg legen. Denn die Einführung von Sonderrechten für Konzerne käme vor allem den Öl-, Gas- und Rohstoffunternehmen zugute. Wenn wir unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen schnell beenden wollen, darf die CETA- Sondergerichtsbarkeit für Investoren auf keinen Fall eingeführt werden. Sonderrechte für Konzerne sind ein Relikt des 20. Jahrhunderts, das der Lösung der drängendsten Probleme des 21. Jahrhunderts im Wege steht. Stattdessen brauchen wir einen Paradigmenwechsel hin zu einer Handelspolitik, die die Interessen der Menschen und des Planeten in den Vordergrund stellt. Mit der Ratifizierung von CETA würden wir uns von dieser dringend notwendigen Entwicklung weit entfernen. Wir fordern daher die Verantwortlichen auf, den CETA-Ratifizierungsprozess zu stoppen! Keine Sonderrechte für Investoren! Schützen wir Menschen und das Klima, nicht die Profite von Konzernen.”
Von einer “modernen und nachhaltigen” Handelsagenda, ja sogar von einem völligen “Neustart” war die Rede, wenn die Bundesregierung von ihrer Handelspoltik spricht. Leider ist sie gerade dabei, noch vor einem richtigen Neustart die erste Bruchlandung hinzulegen. Denn mit der geplanten Ratifizierung von CETA schafft sie exklusive Sonderklagerechte für Konzerne vor nicht-staatlichen Gerichten und schützt zwar den Handel mit fossilen Energien, aber keine Nachhaltigkeitsstandards. Einzig eine Interpretationserklärung zum Investitionsschutz soll ausreichen, um alle Bedenken auszuräumen.
Erst vor vor Kurzem schrieben wir in einer aktuellen Meldung, dass wir bezweifeln, dass diese Interpretationserklärung juristisch haltbar ist. Heute haben wir die Gewissheit: Die von der Ampel-Koalition angekündigte Beschränkung des Investitionsschutzes im CETA-Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada über eine Interpretationserklärung ist rechtlich unwirksam.
Dies zeigt ein juristisches Kurzgutachten im Auftrag des Umweltinstituts München. Die Regierungsparteien hatten kürzlich angekündigt, den Investitionsschutz über eine entsprechende Erklärung des Gemeinsamen CETA-Ausschusses auf direkte Enteignung und Diskriminierung zu beschränken und dann das Abkommen ratifizieren zu wollen. Der Vertragstext sieht den Schutz auch vor indirekten Enteignungen vor, was Unternehmen das Recht gäbe, vor nicht-staatlichen Schiedsgerichten zum Beispiel bei neuen Umweltvorschriften auf Schadenersatz zu klagen. Wie das Rechtsgutachten zeigt, wären die vorgesehenen Schiedsgerichte trotz der Auslegungserklärung weiterhin an den Vertragstext gebunden und müssten Unternehmen vor direkten sowie indirekten Enteignungen schützen.
Art. 8.12 Abs. 1 CETA, sowie der Anhang des Kapitels schützen ausdrücklich auch indirekte Enteignungen. Dies kann nicht anders interpretiert werden. Und auch bei dem Gebot der gerechten und billigen Behandlung reicht eine Interpretationserklärung nicht aus. Denn das Abkommen legt diese Fälle bereits selbst (auch in anderen Kapitel) aus. Mit einer Interpretationserklärung eine Interpretation interpretieren? Das kann nicht funktionieren! Die Rechtsanwält:innen Dr. Roda Verheyen und Dr. Johannes Franke der Kanzlei Rechtsanwälte Günther begründen diese Einschätzung in ihrem Kurzgutachten wie folgt:
“Im Ergebnis würde eine „Interpretationserklärung“ des Gemeinsamen Ausschusses, die den Investitionsschutz auf Fälle direkter Enteignung und Diskriminierung beschränkt, über die Grenzen der Auslegung der CETA-Bestimmungen hinausgehen und faktisch den Vertragstext ändern. Hierzu ist der Ausschuss aber nicht befugt. Eine entsprechende Erklärung würde also – weil sie die potentiell geschädigten Investoren belastet – mit hoher Wahrscheinlichkeit von CETA- Schiedsgerichten, die an den Vertragstext gebunden sind und diesen auslegen müssen (vgl. Art. 8.31 Abs. 1 CETA), nicht beachtet werden.”
Dass die geplante Interpretationserklärung rechtlich nicht einmal wirksam wäre, ist eine Farce. Damit kann die Bundesregierung das Abkommen nicht ratifizieren. Wir brauchen endlich eine neue Handelspolitik - ohne Sonderklagerechte für Konzerne und mit starken Nachhaltigkeitskapiteln! Dafür kämpfen wir und freuen uns, wenn Sie dabei sind!
Falls Sie noch nicht mitgemacht haben, können Sie hier unseren Aufruf gegen die CETA-Ratifizierung unterschreiben. Falls Sie schon dabei sind, können Sie helfen, unsere Aktion noch bekannter zu machen, indem Sie sie jetzt im Freundes- und Bekanntenkreis teilen. Und mit einer Spende oder Fördermitgliedschaft machen Sie diese und andere Kampagnen überhaupt erst möglich. Vielen Dank!
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