Home  trenner  Meldungen  trenner  Taxonomie: EU-Parlament winkt grünes Label für Gas und Atom durch

Taxonomie: EU-Parlament winkt grünes Label für Gas und Atom durch

Protest in München: Kein Grüner Anstrich für Gas und Atom (Foto: Lukas Schulz)

(7.7.2022) Trotz enormen Widerstands hat das EU-Parlament am Mittwoch ein Veto zur EU-Taxonomie abgelehnt und sich damit für die Einstufung von Atom und Gas als nachhaltige Investition ausgesprochen. 278 Abgeordnete stimmten gegen den von der EU-Kommission vorgelegten delegierten Rechtsakt. Notwendig für eine Ablehnung im Parlament wäre aber eine absolute Mehrheit von 353 Stimmen gewesen.

Sonderregeln für schmutzige Technologien

Die EU-Taxonomie soll Finanzteilnehmer:innen klare Leitlinien für nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten und Finanzprodukte an die Hand geben. Welche Leitlinien dies sind, wird Schritt für Schritt von der EU Kommission per delegierten Rechtsakten festgelegt. In einem ersten Rechtsakt wurden unter anderem erneuerbare Energien aufgenommen. Jetzt ging es um Sonderregeln, die Atomkraft und Gas als „übergangsweise nachhaltig“ einstufen sollten.

Zwar wurden verschiedene Bedingungen von der Kommission in den delegierten Rechtsakt mitaufgenommen – beispielsweise die Umstellung von Gaskraftwerken auf klimaneutrale Gase bis 2035 oder die Bereitstellung eines Atommülllagers bis 2050 –, doch diese liegen weit in der Zukunft und sind heute nicht überprüfbar.

Das ursprüngliche Ziel der Taxonomie, nämlich Transparenz zu schaffen und Greenwashing zu verhindern, wird damit ad absurdum geführt. Die EU Kommission hat sich mit ihrem Vorschlag auf einen Kuhhandel zwischen den Interessen Frankreichs an Investitionen in seine überalterten Atomkraftwerke und den Interessen Deutschlands, die Gasindustrie zu stärken, eingelassen.

EU-Parlament winkt grünes Label für Gas und Atom durch

Die EU Gesetzgebung sieht vor, dass ein delegierter Rechtsakt der Kommission nur mit hohen Hürden im Parlament gestoppt werden kann. Für ein Veto braucht es eine Resolution, zu der mehr als die Hälfte der Abgeordneten (aktuell 353 Stimmen) aktiv zustimmen. Eine einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen reicht hingegen nicht aus. Im Juni haben die Ausschüsse für Wirtschaft (Econ) und Umwelt (Envi) des EU-Parlaments klar für eine Ablehnung des delegierten Rechtsaktes votiert. Am Mittwoch stimmte das EU-Parlament ab – und winkte das grüne Label für Atom und Gas durch. Eine Mehrheit aus Konservativen, Liberalen und Rechtspopulist:innen haben das Veto abgelehnt.

Immerhin 278 Abgeordnete stimmten für das Veto zum delegierten Rechtsakt, darunter 13 der 23 konservativen Abgeordneten aus Deutschland und beide Abgeordnete der Freien Wähler. Enthalten haben sich die FDP-Abgeordneten, was de facto einer Zustimmung zum Greenwashing von Atom und Gas gleichkommt.

Schlechtes Zeichen für EU Klimapolitik

Das gescheiterte Veto im EU-Parlament ist ein verheerendes Signal für die gesamte Klimapolitik der EU. Denn ein Nachhaltigkeitskatalog, in dem klare wissenschaftliche Kriterien durch die Interessen Frankreichs und Deutschlands an Atomkraft und Erdgas aufgeweicht werden, ist bestenfalls wertlos. Selbst wenn Finanzinstitutionen nun die Sonderregeln für Gas und Atom nicht nutzen, die entsprechenden Lobbygruppen bekommen Rückenwind. Und es ist bereits absehbar, dass die Taxonomie in Zukunft auch zur Festlegung von „grünen Quoten“ in den Ausgaben der EU und ihrer Mitgliedstaaten herangezogen werden wird.

Für die Energiewende wäre dies verheerend. Denn wenn unter dem Deckmantel der Nachhaltigkeit Milliarden in hochriskante und klimaschädliche Technologien investiert werden, dann drohen diese Finanzmittel für Investitionen in ein erneuerbares Energiesystem einschließlich der Netzinfrastruktur und der Speichertechnologien zu fehlen.

Klagen sind Angekündigt

Der massive Protest aus der Zivilgesellschaft gegen das Greenwashing von Gas und Atom war trotz der bitteren Niederlage im EU-Parlament nicht umsonst. Wir konnten bereits erreichen, dass die deutsche Bundesregierung das Greenwashing von Atom und Gas offiziell ablehnt. Jetzt müssen Taten folgen. Unser Widerstand, unsere Mails, Anrufe und Demonstrationen bilden nun die Grundlage für juristische Schritte. Klagen von einzelnen Mitgliedstaaten sowie eine Klage des EU-Parlaments selbst können das Vorhaben noch stoppen.

Österreich und Luxemburg, sowie einige klageberechtigte Umweltverbände haben ihren Willen zur juristischen Schritten nochmals bekräftigt. Spanien und Dänemark kündigten im Vorfeld der Abstimmung an, dass sie ebenfalls erwägen würden, sich der Klage anzuschließen. Auch aus dem EU Parlament wurden Stimmen laut, dass Klagen vorbereitet würden. Wir fordern insbesondere die deutsche Bundesregierung auf, Ihre Positionierung ernst zu nehmen und den Klageweg zu beschreiten.

Zurück nach oben