Insektenschutzpaket mit großen Lücken

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(30.06.2021) Vergangenen Freitag wurden Änderungen in der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung im Bundesrat verabschiedet, die dem Schutz unserer Insekten dienen sollen. Bei näherer Betrachtung zeigt sich: hier wurde wieder einmal eine Chance vertan.
Um eine tatsächliche Trendwende beim Insektensterben einzuleiten, werden die Änderungen nämlich bei weitem nicht ausreichen. Auf dem allergrößten Teil der landwirtschaftlichen Flächen kann genauso weiter gewirtschaftet werden wie bisher. Gemeinsam mit den Änderungen im Bundesnaturschutzgesetz, die ebenfalls letzte Woche beschlossenen wurden, bildet die Verordnung das sogenannte Insektenschutzpaket, vielfach wird auch von einem „Insektenschutzgesetz“ gesprochen.
Auch der zukünftige Umgang mit dem umstrittenen Totalherbizid Glyphosat ist Teil der Änderungen in der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung. Der Umgang mit dem Wirkstoff wurde neu geregelt – verboten wurde er aber nicht. Irreführend ist dabei die Darstellung der Bundesregierung, mit der Verabschiedung des Insektenschutzpakets sei das Ende von Glyphosat ab 2024 besiegelt worden. Tatsächlich läuft die derzeit gültige Zulassung von Glyphosat auf EU-Ebene im Dezember 2022 aus, was unabhängig von den beschlossenen Änderungen ohnehin automatisch passieren wird. Durch sogenannte Abverkaufs- und Aufbrauchfristen wird Glyphosat aber erst 2024 endgültig vom Markt verschwunden sein – immer vorausgesetzt, das Totalherbizid erhält auf EU-Ebene keine erneute Genehmigung.
Doch das Verfahren für die weitere Zulassung von Glyphosat auf EU-Ebene läuft bereits und ob der Wirkstoff über 2022 hinaus weiter zugelassen werden wird, ist derzeit noch völlig offen.
Sollte es unter den Mitgliedstaaten eine Mehrheit für eine weitere Zulassung geben, wird ziemlich sicher auch in Deutschland kein Glyphosat-Ausstieg erfolgen.Das wird so auch in der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung angedeutet und die Bundesregierung hat immer wieder betont, dass es nicht möglich ist, Glyphosat in Deutschland zu verbieten, solange es eine EU-Zulassung gibt.
Der Einsatz von Pestiziden in Schutzgebieten wird in dem Maßnahmenpaket ebenfalls neu geregelt, aber nicht verboten. Die Verwendung vieler Pestizide bleibt selbst in Naturschutzgebieten auch in Zukunft erlaubt. Hier gibt es lediglich Verbote für einige besonders schädliche Pestizide. In Vogelschutzgebieten dagegen wird es überhaupt keine Einschränkungen für den Pestizid-Einsatz geben. Und das, obwohl laut der aktuellen Roten Liste, die vergangene Woche veröffentlicht wurde, 43 Prozent aller 259 regelmäßig in Deutschland brütenden Vogelarten in ihrem Bestand als gefährdet gelten.
Besonders stark bedroht sind demnach unter anderem Insektenfresser und Vögel der Agrarlandschaften. Von den dort brütenden Vogelarten sind sogar 70 Prozent als gefährdet eingestuft.
Insekten dienen zahlreichen Vögeln und ihrer Brut als Nahrungsgrundlage. Wenn wir das Insektensterben nicht aufhalten, werden auch die Bestandszahlen bei vielen Vogelarten weiter zurückgehen.
Selbst Pestizide, die als besonders bienengefährlich gelten und die mittlerweile EU-weit verboten wurden (etwa einige Neonicotinoide wie beispielsweise Thiamethoxam), kommen in den Mitgliedstaaten durch sogenannte Notfallzulassungen wieder zum Einsatz – auch in Deutschland. Um die Artenvielfalt und die Insektenwelt zu schützen ist es unabdingbar, dass die Art und Weise, wie auf dem größten Teil der genutzten Fläche Landwirtschaft betrieben wird, grundsätzlich geändert wird. Die Verabschiedung des Insektenschutzpakets darf auf keinen Fall dazu führen, dass das gravierende Problem des Insektensterbens in Deutschland jetzt als erledigt betrachtet wird.
Unsere ausführliche Bewertung des Insektenschutzgesetzes finden Sie hier.
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