Home  trenner  Meldungen  trenner  Das Ende des „Anti-Klimaschutzvertrags“ steht bevor

Raus aus dem „Anti-Klimaschutzvertrag“!

Braunkohle Tagebau

Foto: Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0 Created: 2010-10-06 11:48:43

(18.01.2021) Der Vertrag über die Energiecharta (ECT) ist ein großes Hindernis für wirksamen Klimaschutz. Es handelt sich um ein internationales Investitionsschutzabkommen für die Energiewirtschaft, das Investor:innen die Möglichkeit gibt, Staaten vor internationalen Schiedsgerichten zu verklagen. Dabei gilt es bereits als Enteignung, wenn ein Staat die Bedingungen für ihre Investitionen durch neue Regeln wie einen früheren Kohlausstieg verschlechtert. Jetzt laufen Verhandlungen über eine Reform und eine Diskussion über die Kündigung.

Die Energiecharta bringt den Klimaschutz an seine Grenzen

Es steht außer Frage, dass die Regierungen dringend aus Kohle, Gas und Öl aussteigen müssen. Genau dieser Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen wird aber durch den Energiecharta-Vertrag behindert. Denn Energiekonzerne können die Regierungen aufgrund von finanziellen Verlusten als Folge der Dekarbonisierung auf Schadensersatz in Milliardenhöhe verklagen. Hierfür bietet der ECT die Grundlage.

So basiert die berühmte Vattenfall-Klage gegen Deutschland wegen des Atomausstiegs auf der Energiecharta. Schon zuvor hatte Vattenfall mit dem Vertrag eine Verschärfung von Umweltauflagen für sein Hamburger Kohlekraftwerk Moorburg verhindert. Auch Italien wurde verklagt, weil das Land neue Offshore-Ölbohrungen verboten hat. Oft hat die bloße Ankündigung solcher Klagen Auswirkungen auf die Politik. So droht der finnisch-deutsche Kohlekonzern Fortum/Uniper (Betreiber von Datteln 4) den Niederlanden mit einer Klage, weil das Land beschlossen hat, aus der Kohleförderung auszusteigen.

Zum Scheitern verurteilt: Die Modernisierung der Energiecharta

Mit einer Reform wollen die Vertragsstaaten den Vertrag nun an das Pariser Klimaschutzabkommen anpassen. Dreimal trafen sie sich im Jahr 2020, um die Energiecharta klimagerecht zu modernisieren. Doch Änderungen am ECT sind nur möglich, wenn alle 53 Vertragsstaaten dem zustimmen. So beantragte die EU, über die Arbeitsweise der mächtigen und intransparenten Schiedsgerichte zu verhandeln, scheiterte jedoch am Widerstand Japans. Auch der Diktator von Aserbaidschan, dessen Reichtum auf Erdölexporten basiert, hat ein Vetorecht bei den Reformverhandlungen.

Daher ist es logisch, dass auch 2020 keinerlei Fortschritte bei der Modernisierung des Vertrags gemacht wurden. Das zeigt ein Bericht der internen „Modernisierungsgruppe“. Er legt dar, dass die Verhandlungen praktisch noch nicht einmal begonnen haben.

Rufe nach Kündigung werden lauter

Das Umweltinstitut München fordert seit längerem, dass die EU den  Vertrag kündigen soll und das notfalls auch einseitig. Investitionsschutzverträge sind ein postkoloniales Instrument, das die Interessen international tätiger Konzerne einseitig und zum Schaden des Gemeinwohls schützt. Zivilgesellschaftliche Organisationen überall auf der Welt kritisieren diese Politik mit zunehmendem Erfolg: 2020 war nach 2019 das zweite Jahr, in dem mehr Investitionsschutzverträge gekündigt als abgeschlossen wurden.  

Nun werden die Rufe nach einer Kündigung des Energiecharta-Vertrags in Europa immer lauter. Im November forderten knapp 300 EU-Parlamentarier:innen in einem offenen Brief die Europäische Kommission und die EU-Mitgliedsländer auf, „nach Wegen zu suchen, sich gemeinsam aus dem Vertrag zurückzuziehen“. Weiter heißt es in dem offenen Brief: „Der ECT stellt eine ernsthafte Bedrohung für das europäische Ziel der Klimaneutralität und im weiteren Sinne für die Umsetzung des Pariser Abkommens dar.“ Nach der gescheiterten dritten Reformrunde bei der Energiecharta-Konferenz am 16. Dezember mahnte dann auch die französische Regierung bei der EU-Kommission an, sie solle einen gemeinsamen Austritt der europäischen Staaten aus dem Energiecharta-Vertrag vorbereiten. Auch die Regierungen in Luxemburg und Spanien stehen hinter dieser Idee. Italien hat diesen Schritt bereits getan und ist 2016 ausgetreten.

Auf dem Weg zum Anti-Klimavertrag

Andere jedoch arbeiten in eine ganz andere Richtung. So versucht das Sekretariat des ECT seit längerem, immer mehr Staaten in den Vertrag aufzunehmen. Zwanzig Staaten haben einen „Beobachterstatus“ und denken über einen Beitritt nach. Dazu gehören Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Venezuela ebenso wie die USA und die Volksrepublik China. Ein Investitionsschutzvertrag mit den ökonomischen Supermächten und fossilen Diktaturen wäre de facto ein globaler Anti-Klimaschutzvertrag mit effektivem Durchsetzungsmechanismus. 

Es ist an der Zeit für Deutschland und die EU, auszusteigen. Notfalls auch einseitig.  

Zurück nach oben