EU-Ziele für den Schutz der Artenvielfalt: Klein-Klein statt Systemwandel?

Ein "Weiter" so in der Agrarpolitik ist keine Option (Foto: flockine / pixaby)
(5. Februar 2020) Ein Entwurf der neuen Biodiversitäts-Strategie der EU wurde am Dienstag öffentlich. Dieser enthält konkrete Ziele zur Reduktion von Pestiziden, zum Landschaftsschutz in Agrargebieten und zum Ausbau von ökologischer Landwirtschaft. Aus den geleakten Dokumenten wird jedoch deutlich: Die EU-Kommission verkennt nach wie vor die Dringlichkeit der Lage und droht mit halbherzigen Zielen den dringend notwendigen Systemwechsel in der Landwirtschaft zu verschlafen.
Als Ursula von der Leyen im Dezember vergangenen Jahres ihren „Green Deal“ für Europa vorstellte, hagelte es Kritik, denn das zuvor bekanntgewordene Ziel einer Halbierung des Pestizideinsatzes bis 2030 fehlte in der finalen Version. Stattdessen schaffte es nur noch die deutlich abgeschwächte Forderung nach einer „signifikanten Reduktion“ in den Green Deal. Daraufhin wurden Rufe nach konkreten Zahlen anstatt vager Absichtserklärungen laut. Auch das EU-Parlament forderte nach der Veröffentlichung des Green Deals die Kommission zur Überarbeitung der Bestäuber-Initiative auf: Diese 2018 von der Juncker-Kommission vorgelegte Initiative zum Schutz von Bienen und anderen bestäubenden Insekten hielten die ParlamentarierInnen für unzulänglich und pochten auf verpflichtende Zielvorgaben. Dieser Forderung kommt die EU-Kommission nun offenbar nach – der Entwurf der Biodiversitätsstrategie beinhaltet jetzt wieder genaue Zahlen:
- Der Einsatz von Pestiziden und mineralischen Düngemitteln soll bis 2030 um 30 Prozent reduziert werden. Die angepeilte Reduktion fällt somit deutlich geringer aus, als dies zunächst im Entwurf für den Green Deal vorgesehen war.
- 10 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen in der EU sollen nicht bewirtschaftet werden und/oder für Landschaftselemente wie Hecken und Bäume zurückbehalten werden.
- Der Anteil von Ökolandbau an der gesamten Landwirtschaft soll auf mindestens 30 Prozent ausgebaut werden.
- Insgesamt sollen 30 Prozent der gesamten Fläche der EU zu Land und zu Wasser zu Schutzgebieten werden.
Die jetzt bekannt gewordenen Ziele der Biodiversitätsstrategie ab 2020 zeigen zwar, dass sich die blinden Flecken hinsichtlich der Ursachen für das Insektensterben in Brüssel langsam lichten. Dennoch lassen die Zahlen auch erkennen: Die EU-Kommission hat das dramatische Ausmaß des Insektensterbens noch immer nicht begriffen. Dass die Vielfalt und Menge von Nachtfaltern, Schmetterlingen, Käfern, Wildbienen und anderen Insekten regional unterschiedlich, aber deutlich zurückgeht, ist wissenschaftlich eindeutig belegt. Hierzulande erregte 2017 die sogenannte „Krefelder Studie“ Aufsehen, die zu dem Ergebnis kam, dass in Deutschland mehr als 75 Prozent der Gesamtmasse an Fluginsekten aus Teilen der Bundesrepublik verschwunden ist. Allein in den letzten zehn Jahren sind außerdem ein Drittel der Insektenarten aus unseren Feldern, Wiesen und Wäldern verloren gegangen – zu diesem erschreckenden Ergebnis kam im letzten Jahr eine großangelegte Studie der Technischen Universität München. Die Roten Listen der UN-Weltnaturschutz-Organisation (IUCN) zeigen darüber hinaus, dass Insektenarten weltweit bedroht sind.
Eine der Hauptursachen für diese schockierende Entwicklung ist die intensive Landwirtschaft mit ihren ausgeräumten Agrarwüsten und dem massiven Einsatz von Pestiziden. Eine Reduktion der Ackergifte um 30 Prozent wird nicht reichen, um das Insektensterben aufzuhalten. Was Europa stattdessen braucht, ist ein schrittweiser Ausstieg aus der Nutzung chemisch-synthetischer Pestizide, wie wir es in unserer Europäischen Bürgerinitiative „Bienen und Bauern retten“ fordern: Nicht 30 Prozent, sondern 80 Prozent weniger Pestizide bis 2030 und ein komplettes EU-weites Pestizidverbot bis spätestens 2035 ist nötig, um dem Insektensterben endlich Herr zu werden. Dabei müssen die 64 giftigsten und langlebigsten Stoffe, welche die EU-Kommission bereits zu Substitutionskandidaten erklärt hat, innerhalb der nächsten zwei Jahr vollständig verboten werden.

Blühstreifen am Ackerrand
Unsere Forderungen nach der Wiederherstellung von Biodiversität in landwirtschaftlichen Flächen, z.B. durch die Pflanzung von Bäumen, Hecken und Sträuchern, fanden indes in Brüssel Gehör. Der Vorschlag der Kommission zielt dabei aber in die falsche Richtung: Bäuerinnen und Bauern für die Komplett-Stilllegung von Flächen zu entschädigen, kann kaum die unveränderte Naturzerstörung auf einem Großteil der übrigen Fläche kompensieren. Schließlich darf es nicht darum gehen, mit derartigen Ausgleichsmaßnahmen ein Feigenblatt für ein „Business as usual“ in der industriellen Landwirtschaft zu schaffen. Ziel sollte viel mehr sein, Landwirtschaft und Natur in der Fläche zusammenzubringen. Wenn neben und auf dem Acker in Zukunft wieder Hecken, Sträucher und Bäume blühen dürfen, braucht es auch keine Stilllegungen: Apfelbäume lassen sich schließlich beernten, blühende Wiesen zu Heu machen.
Verleihen Sie unseren Forderungen Gewicht und unterschreiben Sie wie bereits über 165.000 Menschen die Europäische Bürgerinitiative „Bienen und Bauern retten!“. Darin appellieren wir an die EU-Kommission, bis 2030 den Einsatz chemisch-synthetischer Pestizide in der EU um 80 Prozent zu reduzieren und bis 2035 komplett einzustellen. Senden Sie ein deutliches Signal nach Brüssel: Wir BürgerInnen Europas haben die giftigen Pestizide satt und wollen endlich eine Landwirtschaftspolitik, die zum Erhalt von Artenvielfalt beiträgt und sie nicht weiter zerstört!
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