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Agrarkonzerne missbrauchen das europäische Patentrecht

Katherine Volkovski, unsplash, Maispflanze mit Kolben

© Katherine Volkovski | unsplash

(29.04.2020) Patente auf Pflanzen und Tiere aus herkömmlicher Züchtung sind laut europäischem Patentrecht verboten. Doch rechtliche Schlupflöcher und fehlender politischer Willen führen dazu, dass die Agrarkonzerne und das Europäische Patentamt seit Jahren dieses Verbot systematisch umgehen. Ein kürzlich veröffentlichter Bericht von der Organisation Keine Patente auf Saatgut! gibt einen Überblick über Patentanträge auf herkömmlich gezüchtete Pflanzen und Tiere, die in den Jahren 2018 und 2019 eingereicht wurden und in den nächsten Jahren vom Europäischen Patentamt erteilt werden könnten.

Patente mit immer größerer Reichweite

Laut den Recherchen von Keine Patente auf Saatgut! wurden von Anfang 2018 bis Ende 2019 rund 450 Patentanträge auf Pflanzen eingereicht. Mehr als 100 davon betreffen herkömmliche Züchtungsmethoden, wie Kreuzung und Selektion. Der Agrarkonzern Bayer / Monsanto reichte mit knapp 20 Patentanträgen die meisten ein. Besonders alarmierend ist die Reichweite der Ansprüche, die sich Unternehmen durch Patente sichern wollen. Zum Beispiel umfasst die Patentanmeldung WO2019121603 alle Maniokpflanzen, die durch Mutationszüchtung entstanden sind, unabhängig von konkreten Züchtungszielen. Maniok ist in vielen Ländern Afrikas, Südamerikas und Asiens ein wichtiges Grundnahrungsmittel und von großer Bedeutung für die dortige Lebensmittelsicherheit. Die Patentanmeldung WO2019038339 beansprucht etwa 80 Pflanzenarten, darunter Mais, Reis, Rüben, Raps und Zwiebeln, die unempfindlich gegenüber einer Pilzkrankheit sein sollen. Die Pflanzen wurden mit dem Krankheitserreger in Kontakt gebracht und diejenigen genauer untersucht, die eine Resistenz aufzeigten.

Juritische Trickserei statt neuartiger Erfindung

Die in dem Bericht beschriebenen Patentanmeldungen machen deutlich, dass der ursprüngliche Zweck von Patenten, nämlich neuartige Erfindungen zu schützen und dadurch einen Anreiz für Forschung und Innovation zu schaffen, völlig zweckentfremdet wird. Nach der aktuellen Vergabepraxis des Europäischen Patentamtes (EPA) werden natürlicherweise vorkommende oder zufällig erzeugte Mutationen als technische Erfindungen angesehen und damit gentechnischen Verfahren gleichgesetzt. Außerdem versuchen Unternehmen Patentansprüche auf Pflanzen geltend zu machen, indem sie sogenannte Markergene identifizieren, die für ein bestimmtes Merkmal der Pflanze stehen. Die Pflanze selbst wurde aber mit Hilfe von herkömmlichen Verfahren gezüchtet.

Die Macht der Agrarriesen wächst

Die vier Megakonzerne Bayer/Monsanto, DuPont/Dow, ChemChina/Syngenta und BASF halten 70 Prozent des weltweiten Saatgutmarktes unter Kontrolle und besitzen 40 Prozent der in der EU erteilten Patenten auf Pflanzen. Angesichts dieser Marktmacht stehen die verbliebenen kleinen und mittelständischen Saatgutunternehmen unter extremen Druck. Patente verschärfen diese Situation. Hohe Kosten für Patentstreitverfahren und mögliche daraus resultierende Strafzahlungen können diese Unternehmen innerhalb kürzester Zeit in den Ruin treiben. Außerdem kann mit Hilfe von Patenten der Zugang zu genetischem Material blockiert und damit die züchterische Arbeit für andere Unternehmen erschwert werden. Das Ergebnis: Eine fortschreitende Konzentration der Marktmacht und die Kontrolle von einer Handvoll Agrarkonzerne über unsere Lebensmittelproduktion. Sie bestimmen was, wo und wieviel auf den Äckern wächst, welche Tiere in den Ställen und auf den Weiden stehen und welche Lebensmittel in den Läden zu welchen Preisen verkauft werden.

Klare Regeln ohne Schlupflöcher

Seit vielen Jahren setzt sich das Umweltinstitut mit Protestaktionen vor dem EPA, Unterschriftkampagnen und Einsprüchen für ein vollständiges Verbot von Patenten auf Pflanzen und Tiere aus herkömmlicher Züchtung ein – mit Erfolg. Alle Vertragsstaaten des EPA und die Institutionen der EU haben sich bereits für ein solches Verbot ausgesprochen. Nun müssen die Regeln zur Auslegung des Patentrechtes geändert werden, sodass die bestehenden Gesetze auch greifen. Falls notwendig müssen die Gesetze selbst verändert werden, um den Missbrauch von Patenten zugunsten der Agrarkonzerne zu stoppen.

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