„Wir brauchen keine Großkraftwerke, sondern vor Ort erzeugte Energie“

Credit: Bündnis Bürgerenergie e.V., Jörg Farys
(12.08.2020) Nicht erst seit Fridays for Future steht Bürgerenergie hoch im Kurs. Katharina Habersbrunner, Vorständin des Bündnis Bürgerenergie sowie der Bürgerenergiegenossenschaft BENG eG, malt im Interview die Zukunft der erneuerbaren Energien aus: Dezentral, inklusiv, resilient und in Hand der Bürgerinnen und Bürger.
Umweltinstitut: Katharina, du bist Vorstandsmitglied der Bürgerenergiegenossenschaft BENG. Was kann ich mir konkret unter einer solchen Genossenschaft vorstellen?
K. Habersbrunner: Eine Gruppe Energiewende-Begeisterter hat BENG 2011 gegründet, wobei der GründerInnen-Kreis schon seit der Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) im Jahr 2000 gemeinsam aktiv war. Auch damals gab es ja schon Förderungen für Solaranlagen. Die Idee war schon immer, die Machbarkeit und Relevanz der erneuerbaren Energien aufzuzeigen und eine breite Schicht von Menschen an der dezentralen Energiewende zu beteiligen.
Umweltinstitut: Was ist der Vorteil gegenüber klassischen Energieversorgern?
K. Habersbrunner: Statt Großkraftwerken nutzen wir das Potenzial vor Ort erzeugter Energie, minimieren so den Netzausbau und beteiligen die Menschen von Anfang an.
Umweltinstitut: Was ist gerade euer wichtigstes Projekt?
K. Habersbrunner: Das ist eine Photovoltaikanlage auf einem Bauhof in Aschheim bei München, die im April geplant, gebaut, installiert und ans Netz genommen wurde. Finanziert haben wir die Anlage wie immer über ein Beteiligungsmodell. Interessierte können Anteile zeichnen und erhalten dafür eine Rendite von 3-4 Prozent. Die Anlage hat rund 40.000 Euro gekostet, wobei das Projekt knapp dreifach überzeichnet war. Wir hätten also fast 120.000 Euro einwerben können, schlussendlich konnten nur Bürgerinnen und Bürger aus Aschheim Anteile zeichnen. Wir nennen das das Kirchturm-Prinzip: Wenn wir eine Anlage in einer Kommune oder einem Ort bauen, laden wir die Menschen vor Ort ein, sich zu informieren und zu beteiligen und die lokale Bevölkerung erhält dann auch beim Anteilserwerb Vorrang. Außerdem arbeiten wir aktuell an zwei Mieterstrom-Projekten im Landkreis München.

Die Bürgerenergie-Expertin im Interview
Katharina Habersbrunnerist seit ihrer Jugend im Bereich erneuerbare Energien und Klimaschutz aktiv. Vor acht Jahren stieg sie aus der Rückversicherungsbranche aus und setzt heute für eine internationale Umweltorganisation Klima- und Energieprojekte um, die sozial und geschlechtergerecht sind. Sie ist Vorstandsmitglied bei der Bürgerenergiegenossenschaft BENG, mit der sie bereits 11 Solaranlagen mit einer Leistung von 1,7 MW errichtet hat und Vorstandssprecherin des Bündnis Bürgerenergie.
Umweltinstitut: Was habt ihr in der Zukunft vor, wie wollt ihr euch weiterentwickeln?
K. Habersbrunner: Zum einen haben wir als Genossenschaft das Potenzial, noch inklusiver zu agieren und das müssen wir nutzen. Wenn wir vielfältigere Akteure, etwa noch mehr Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund einbinden, dann werden wir sichtbarer und stärker.
Zum anderen bringen wir gerade aktiv das Konzept der Energy-Communities voran. Dabei können EnergiebürgerInnen oder Energiegenossenschaften den selbst erzeugten Strom in regionalen Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaften untereinander tauschen und handeln. Dieses Modell fördert die Motivation und Akzeptanz der BürgerInnen wesentlich effektiver als eine reine Geldzahlung an BürgerInnen in Energie-Gemeinden. Außerdem können durch die gemeinschaftlich optimierte Stromerzeugung Dachflächen erschlossen werden, die durch die bislang ungünstigen Bedingungen, z.B. für Mieterstrom, ungenutzt bleiben.
Passt sich die dezentrale Stromnachfrage an die dezentrale Erzeugung von erneuerbarem Strom an, so entlastet dies das Stromnetz und ermöglicht eine kostengünstige Energiewende.
Die EU hat das Potenzial von Energy-Communities schon erkannt und will mit der Erneuerbare-Energien--Richtlinie Bürgerinnen und Bürger in das Herz der Energieversorgung stellen.
Umweltinstitut: Warum ist es so wichtig, dass Bürgerinnen und Bürger die Energiewende mitgestalten?
K. Habersbrunner: Weil nur so Akzeptanz für die konkreten Projekte geschaffen werden kann. Wir sehen in Umfragen, dass über 90 Prozent der Bevölkerung die Energiewende grundsätzlich befürworten, trotzdem gibt es große Diskussionen rund um die Windenergie. Die Politik versucht darauf Antworten zu finden, was grundsätzlich gut ist, schließt dabei aber die falschen Schlüsse. Abstandsregelungen erhöhen die Akzeptanz nachweislich nicht, echte Beteiligungen, Partizipationsprozesse, Bürgerstromtarife und natürlich eine gute Planung hingegen schon.
Umweltinstitut: In der Debatte taucht immer wieder der Begriff „Mieterstrom“ auf. Was genau verbirgt sich dahinter?
K. Habersbrunner: Strom wird in Deutschland meist dezentral erzeugt, aber trotzdem über den zentralen Strommarkt vermarktet. Mit Mieterstromprojekten ist es möglich, dass Hausgemeinschaften gemeinsam Strom erzeugen und durch ein entsprechendes Zählerkonzept auch den Strom vom eigenen Dach nutzen. Das öffentliche Netz wird nur genutzt, um den überschüssigen Strom einzuspeisen oder um mit Netzstrom die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. So können sich auch Menschen an der Energiewende beteiligen, die keine Immobilie besitzen und das enorme Potenzial, auf städtischen Dächern Energie zu erzeugen, wird genutzt.
Umweltinstitut: Warum gibt es nicht schon viel mehr Mieterstromprojekte?
K. Habersbrunner: Leider hat das Mieterstromgesetz, das 2017 eingeführt wurde, nicht die richtigen Anreize gesetzt. Es gibt unzählige bürokratische Hürden, die wir – wie ihr ja auch – gerne abschaffen wollen.
Umweltinstitut: Ihr habt bestimmt schon von unserem „10-Punkte-Plan für eine Solaroffensive“ gehört: Wir versuchen die Politik zu bewegen, den Solarausbau in Deutschland zu beschleunigen. Was sind die größten Hürden für den Solarausbau, denen ihr mit der Genossenschaft begegnet?
K. Habersbrunner: Es sind die fehlenden politischen Rahmenbedingungen. Wir haben die Technologien, die Menschen, das Geld, das Know-How. Aber wenn dann etwa bei Mieterstrom noch EEG-Umlage auf den selbst produzierten Strom gezahlt werden muss, es administrativ kompliziert ist, dann macht uns die Politik einen Strich durch die Rechnung.
Umweltinstitut: Wenn du einen Wunsch bei Herrn Altmaier frei hättet, was würdest du dir wünschen?
K. Habersbrunner: Ich würde mir wünschen, dass er eine gute EEG-Novelle und Umsetzung der EU-Richtlinie zur Förderung erneuerbarer Energien beherzt angeht. Herr Altmaier sollte die Hindernisse bei der Nutzung von selbst erzeugtem Solarstrom abbauen, den kostendeckenden Weiterbetrieb von Solaranlagen nach Ablauf der EEG-Vergütung sicherstellen und durch Energy Sharing lokale Energiemärkte ermöglichen.
Umweltinstitut: Vielen Dank für das spannende Interview!
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