Der Wald und der Wassermangel

Verdorrte Bäume im Wald - Foto: ©reisezielinfo | adobe.stock.com
(03.06.2020) Der Wald leidet. Nach den sehr trockenen Jahren 2018 und 2019 folgte ein milder und im Vergleich zum Vorjahr in vielen Teilen Deutschlands feuchterer Winter. Doch das Frühjahr 2020 stach besonders im April wieder mit großer Trockenheit hervor. Wie sich die aktuelle Situation auf die Landwirtschaft und damit die Ernte auswirkt, ist unklar. Fest steht jedoch: Unsere Wälder stehen vor einer historischen Wende.
2018 und 2019 waren extreme Dürrejahre. Im Winter 2019/20 fiel in vielen Regionen Deutschlands dann endlich wieder Regen, doch darauf folgte ein ausgesprochen trockenes Frühjahr. Auch im Mai Lagen die Niederschlagswerte unter dem langjährigen Mittelwert. Manche befürchten bereits jetzt ein weiteres Dürrejahr. Die Regenfälle der vergangenen Tage verbessern die Situation des Waldes in Deutschland dabei nicht nennenswert. Der trockene Boden kann das Wasser kaum aufnehmen. Zudem ist nicht genug Regen gefallen, um in tiefere Bodenschichten bis 1,8 Meter vorzudringen. Doch gerade diese Bodenschichten dienen Bäumen als Wasserzufuhr. Durch den Ausfall der Niederschläge der letzten beiden Jahre sind sie nun viel zu trocken. Anschaulich verdeutlicht das der Dürremonitor auf der Website des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung.
Wenn ein Baum zu wenig Wasser bekommt, bilden sich Hohlräume im Xylem. Dabei handelt es sich um das feine Gewebe, in dem der Baum Wasser aus den Wurzeln nach oben in die Krone und zu den Blättern transportiert. Durch die Hohlräume bilden sich wiederum Bläschen und die Wasserversorgung reißt ab. Der Wassermangel zwingt die Bäume eine Art Krisenmodus zu aktivieren. Sie werfen ihre Blätter viel zu früh ab, oder verlieren noch grüne Nadeln. Zugleich verringern sie ihren jährlichen Zuwachs an Holz.
Zu wenig Wasser bedeutet für einige Bäume auch, dass sie weniger Harz bilden können, um Wunden zu verschließen, Schädlinge auszuspülen und am Stamm festzukleben. Damit steigt ihre Anfälligkeit für Krankheiten und Schädlingsbefall. Der milde Winter hat die Situation in diesem Jahr zusätzlich verschärft: Viele Larven von Schädlingen konnten unbeschadet überleben. Der Borkenkäfer, der besonders die Fichtenbestände bedroht, fühlt sich im trockenen und warmen Klima wohl und flog dieses Jahr schon im März aus – zwei Monate früher als für den Käfer typisch. Dies bietet ihm somit mehr Zeit, die sowieso schon unter Stress stehenden Bäume zu befallen.
Befallene „Käferbäume“ müssen schnellstmöglich aus den Wäldern entfernt werden, um die weitere Ausbreitung einzudämmen. Bereits in den letzten Jahren überstieg die Menge des aufgrund von Käferbefall geschlagenen Holzes die Transportkapazitäten der Waldwirtschaft und überschwemmte den Markt, sodass es zu einem Einbruch des Holzpreises kam. Dies schädigt wiederum sowohl große als auch kleine WaldbesitzerInnen. Bisher zeichnet sich kein Ende dieser Depression ab, eher könnte sie mit einem weiteren Stress- und Käferjahr für die Wälder noch verschlimmert werden.
Der Wald ist aber nicht nur eine wirtschaftliche Ressource als Holzlieferant, sondern auch eine wichtige Senke für das Treibhausgas Kohlendioxid (CO2). Aktuell entlasten die deutschen Wälder die Atmosphäre jährlich um rund 62 Millionen Tonnen Kohlendioxid. Trockenheit und Schädlingsbefall wirken sich jedoch auch hier negativ aus. Die Kapazität der Wälder zur CO2-Speicherung sinkt. Doch CO2 das nicht gebunden wird, treibt die Erderhitzung weiter voran, die wiederum Dürren und Waldsterben weiter begünstigt.
Ein Problem der deutschen Wälder ist, dass sie immer noch zu einem großen Teil aus Fichten und Kiefern in Reinbeständen bestehen. Sie zeichnen sich durch eine geringere Biodiversität aus, als zum Beispiel naturnah bewirtschaftete Mischwälder. Diese Monokulturen sind dadurch von sich aus anfälliger für Schädlingsbefall und Krankheiten.
Experimente der TU München zeigen, das Buchen weitaus besser mit der Trockenheit zurechtkommen als Fichten. Doch auch der Buche, die ohne die menschlichen Einflüsse aktuell vermutlich die meistvertretene Baumart in deutschen Wäldern wäre, macht die Hitze zu schaffen. Laut dem Waldzustandsbericht des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft ist der Anteil der deutlichen Kronenverlichtungen bei der Buche im Jahr 2019 von 39% auf 47% gestiegen. In den Experimenten der Münchner WissenschaftlerInnen wird auch deutlich, dass Bäume durchaus in der Lage sind, sich bei länger anhaltendem Trockenstress an die Umstände anzupassen. Je nach Baumart ist das aber nur in einem begrenzten Maße möglich.
Umso wichtiger ist deswegen nun ein konsequenter Waldumbau. Weg von den anfälligen Monokulturen aus Fichten und Kiefern hin zu gut durchmischten Wäldern mit vielen verschiedenen Baumarten. Damit steigt auch die Biodiversität in den Wäldern, sie werden widerstandfähiger und bieten vielen weiteren Pflanzen und Tieren einen Lebensraum. Beim Waldumbau spielen Laubbäume eine besondere Rolle, denn diese können ihre Wurzeln tiefer schlagen und so auch in größerer Tiefe noch Wasser aufnehmen. Doch was tun, wenn auch die heimischen Laubbäume wie zum Beispiel die bereits erwähnte Buche nichtmehr genug zu Trinken haben? Eine Alternative sind Bäume aus anderen Klimaregionen, die durch ihre Herkunft bereits an widrigere Verhältnisse angepasst sind. Doch bleibt hier die Ungewissheit, wie diese Arten mit den bereits bestehenden Ökosystemen interagieren. Die Forschung dazu dauert noch an. Da Bäume langsam wachsende Organismen sind, werden Ergebnisse erst nach einigen Jahren vorliegen.
Klar ist: Unser Wald wird wohl nie ganz verschwinden, doch wird sich sein Erscheinungsbild in den nächsten Jahren drastisch verändern – durch äußere Einwirkungen, wie Dürren und Schädlingsbefall, oder eben durch bewussten Umbau hin zu widerstandsfähigen Waldökosystemen, die sich durch eine lebendige Artenvielfalt auszeichnen.
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