Home  trenner  Meldungen  trenner  Verbotene Pestizide: Bei Importen erlaubt?

Verbotene Pestizide: In importierten Lebensmitteln erlaubt?

Traktor versprüht Pestizide, Bild: Chafer, flickr

Bild: Chafer Machinery, flickr

(17.2.2020) Sollte die EU, wenn sie ein Pestizid verbietet, weil es beispielsweise krebserregend ist, Lebensmittelimporte mit Rückständen dieses Stoffes erlauben? Um diese Frage tobt in Brüssel gerade ein Streit. Dabei spielt auch das CETA-Abkommen eine wichtige Rolle. Unter anderem die kanadische Regierung macht Druck und nutzt dazu das Handelsabkommen CETA. Auch die deutsche Bundesregierung mischt mit – jedoch nicht zum Besten deutscher VerbraucherInnen und LandwirtInnen.

Importtoleranzen – schlecht für Landwirtschaft und Verbraucherschutz

Wenn ein Pestizid in der EU nicht zugelassen ist, dürfen Rückstände von diesen Mitteln nicht in Lebensmitteln nachgewiesen werden. Damit sollen nicht nur die Verbraucherinnen und Verbraucher geschützt, sondern auch die Einhaltung der Regeln kontrolliert werden. Denn wenn Rückstände nicht-zugelassener Wirkstoffe bei Kontrollen gefunden werden, hat offensichtlich ein Regelverstoß stattgefunden.

Doch Firmen können eine Importtoleranz beantragen. Wenn das Parlament und die Mitgliedstaaten kein Veto einlegen, kann die Kommission daraufhin höhere Grenzwerte für Importware festlegen. Die Grenzwerte für innerhalb der Union produzierte Agrarprodukte bleiben aber bei der Bestimmungsgrenze – sie sollen ja auch verhindern, dass das Mittel verbotenerweise eingesetzt wird. Diese Praxis gefährdet nicht nur unsere Gesundheit, sondern ist zutiefst unfair gegenüber den LandwirtInnen in der EU, die so in Konkurrenz zu Importen stehen, die mit weniger strengen Regeln produziert werden.

Handelspartner machen Druck

Bei Pestiziden, bei denen es Hinweise auf eine krebserregende, furchtbarkeitsschädigende, erbgutschädigende oder hormonähnliche Wirkung gibt, gelten im europäischen Recht „Cut-off-Kriterien“. Sie müssen nach dem Vorsorgeprinzip verboten werden. Dementsprechend sollte es für sie auch keine Importtoleranzen geben. Das ist zwar nirgends genau so geregelt, ergibt sich aber logisch aus dem europäischen Recht und wurde bisher auch von der Kommission so gehandhabt. Doch diverse Handelspartner, vor allem die USA, Kanada und Brasilien, wollen das nicht akzeptieren und machen in der Welthandelsorganisation und in Verhandlungen über Handelsabkommen Druck.

Einen besonders privilegierten Zugang zur Kommission hat die kanadische Bundesregierung. Seitdem CETA in Kraft getreten ist, tagen Ausschüsse und Foren, um den Handel zwischen Kanada und der EU zu vereinfachen. Bei einer Sitzung im März 2018 in Ottawa standen auf der Tagesordnung auch Importtoleranzen für Pestizide, die wegen Cut-Off-Kriterien verboten werden.

Klage und Kooperation für mehr Transparenz

Doch während die Kommission die Tagesordnungen der Sitzungen veröffentlicht, gelten die Ergebnisse als geheim. Unseren Antrag auf Veröffentlichung der Protokolle nach der europäischen Informationsfreiheitverordnung lehnte die Kommission ab. Ihr wichtigstes Argument war, dass die kanadische Bundesregierung sich dagegen sperrt. Gegen diesen Bescheid erhoben wir Ende 2018 Klage vor dem Gericht der Europäischen Union in Luxemburg. Das Verfahren dauert inzwischen über ein Jahr und ist noch nicht entschieden.

Parallel dazu baten wir eine Kollegin der Organisation „Council of Canadians“, eine gleichlautende Anfrage nach dem kanadischen Informationsfreiheitsgesetz zu stellen. Die kanadische Regierung stellte ihr daraufhin das Protokoll und einige weitere Dokumente zur Verfügung. Sie sind nicht nur gute Munition für unser Gerichtsverfahren, sondern offenbaren spannende Details aus der Sitzung.

Tatsächlich befürchtet die kanadische Bundesregierung, dass in den kommenden Jahren in der EU diverse Pestizide wegen der Cut-Off-Kriterien verboten werden und der kanadischen Wirtschaft Exportmöglichkeiten über 2,8 Milliarden Dollar entgehen. Das Vorsorgeprinzip erkennt sie nicht als wissenschaftlich fundiert an und möchte Importtoleranzen auch für Pestizide, die krebserregend, fruchtbarkeitsschädigend oder erbgutschädigend sind oder ins Hormonsystem eingreifen. Langfristig wünscht sich Kanada, dass sich die EU ganz vom Vorsorgeprinzip verabschiedet.

Wie verhält sich die Bundesregierung?

Nicht nur die transatlantischen Handelspartner, sondern auch die chemische Industrie in Europa drängt auf Importtoleranzen für die verbotenen Gifte. Immerhin verdient sie mit den bei uns verbotenen Pestiziden im Ausland weiterhin gutes Geld. An ihrer Seite kann sie sich dabei auf die deutsche Bundesregierung verlassen. Denn diese drängt in Brüssel gemeinsam mit einigen weiteren Regierungen ebenfalls darauf, die giftigen Importe zuzulassen. Dies geht aus EU-Dokumenten hervor, die die Organisation Corporate Europe Observatory (CEO) publik gemacht hat.

Was tut die Kommission?

Die von CEO veröffentlichten Protokolle und Mails zeigen auch, dass sich die EU-Kommission bisher selbst nicht einig ist, ob sie dem Druck nachgeben will. Sie zeigen auch, dass die Kommission über eine Senkung der Standards nachdenkt. Importtoleranzen könnten in Zukunft nicht mehr nach dem vorsorgeorientierten Gefahrenansatz, sondern nach dem schwächeren Risikoansatz bewertet werden. Dem Import von Lebens- und Futtermitteln mit Rückständen von verbotenen, gesundheitsschädlichen Pestiziden wäre damit Tür und Tor geöffnet.

Innerhalb der Kommission befürwortet Handelskommissar Phil Hogan dieses Vorgehen. Er sieht Abstriche bei Pestiziden als unter anderem sinnvoll in den Verhandlungen mit den USA. Die neue Gesundheitskommissarin, Stella Kyriakides, die gerade an einem Plan gegen Krebs arbeitet, und der neue Landwirtschaftskommissar, Janusz Wojciechowski, stellen sich dagegen. Am Ergebnis wird sich in der Praxis zeigen, ob an den großen Ankündigungen der neuen Kommission für einen Grünen Gesellschaftsvertrag („European Green Deal“), für den Kampf gegen Krebs („Beating Cancer“) oder eine Strategie für die Zukunft der Landwirtschaft vom Bauernhof bis auf den Teller („Farm to Fork“) etwas dran ist – oder ob sie der Chemielobby nachgibt.

Das Umweltinstitut München fordert:
  • Pestizide haben in unserem Essen nichts zu suchen – erst recht nicht, wenn sie verboten sind, weil sie schwerwiegende Gesundheitsrisiken mit sich bringen. Das sollte für Importe genauso gelten, wie für europäische Ware.
  • Bis 2035 fordern wir den schrittweisen Ausstieg aus der Verwendung chemisch-synthetischer Pestizide. Beim Umstieg muss die EU die BäuerInnen unterstützen.
  • CETA stoppen! Der deutsche Bundestag muss das unfaire, undemokratische und einseitig auf Wirtschaftswachstum ausgerichtete Handelsabkommen mit Kanada ablehnen.
Das können Sie selbst tun:
Zurück nach oben