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Energiecharta: Kündigung statt Reform

Aktion in Brüssel vor dem Gebäude des Energiecharta-Sekretariats

Foto: Corporate Europe Observatory

(2.6.2020) Heute beginnen in Brüssel die Verhandlungen über eine Reform des Vertrags über die Energiecharta. Kern dieses Vertrags sind Investitionsschutzregeln, die es international tätigen Energiekonzernen ermöglichen, horrende Schadensersatzforderungen einzuklagen, wenn Staaten ihre Politik zu ihren Ungunsten verändern. Wir fordern: Der Vertrag sollte nicht reformiert, sondern vollständig beendet werden. Wenn das nicht gelingt, muss die Bundesrepublik einseitig kündigen.

Der "Vertrag über die Energiecharta" wurde 1994 zwischen Staaten in Westeuropa und dem ehemaligen Ostblock geschlossen, um die Energiemärkte von West und Ost nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion zu integrieren. Da Russland ihn nie ratifiziert hat und die anderen Unterzeichnerstaaten sämtlich der Welthandelsorganisation beigetreten sind, ist er praktisch überholt. Viele der Staaten aus dem ehemaligen Ostblock sind inzwischen der EU beigetreten oder haben enge Handels- und Assoziierungsabkommen mit dem Staatenverbund. 

Doch ein anderer Teil des Abkommens bekommt immer mehr Aufmerksamkeit und schafft heute große Probleme: Das Kapitel über den Investitionsschutz. Es erlaubt international tätigen Energiekonzernen, Staaten vor nicht-staatlichen Schiedsgerichten auf horrende Schadenersatzzahlung zu verklagen. Damit hat zum Beispiel der schwedische Energiekonzern Vattenfall Umweltauflagen für das Kohlekraftwerk Moorburg in Hamburg verhindert und die Bundesregierung auf 4,9 Milliarden Euro Schadenersatz wegen des Atomausstiegs verklagt. Derzeit klagen die Energiekonzerne Uniper aus Deutschland und Fortum aus Finland gegen die Niederlande, weil das Land 2030 aus der Kohleverstromung aussteigen will.

Der Vertrag über die Energiecharta ist eine Bremse für die Energiewende und den Klimaschutz.

Kündigung statt Reform

Doch die Anforderungen des Klimaschutzes sind nicht der Grund, warum ab heute über eine Reform des Vertrags verhandelt wird. Druck kommt vielmehr von der EU-Kommission und dem Europäischen Gerichtshof, denen Investitionsschutzklagen innerhalb der Union ein Dorn im Auge sind. Schon 2018 hatte das Umweltinstitut ein Rechtsgutachten vorgelegt, nach dem auch Investitionsschutzklagen nach dem Energiechartavertrag gegen europäisches Recht verstoßen könnten.

Die EU und die Vertragsstaaten wollen den Investitionsschutz aber nicht aus dem Vertrag streichen, sondern lediglich modernisieren. Da alle Vertragsstaaten zustimmen müssten, hat eine eine Lösung im Sinne des Umwelt- und Klimaschutzes kaum eine Chance. Es ist sogar geplant, das Investitionsschutzsystem durch die Aufnahme weiterer Staaten in den völlig veralteten Vertrag stark auszuweiten. Für den Klimaschutz wäre das eine Katastrophe.

Daher forden wir die Bundesregierung auf, den Vertrag über die Energiecharta einseitig zu kündigen. Dieser Schritt ist realpolitisch gangbar: Mit Italien hat einer der größten Unterzeichnerstaaten 2015 gekündigt.

Das Titelbild unseres Dossiers

Klagen gegen Atomausstieg und Klimaschutz

In unserem Dossier beleuchten wir auf 16 Seiten den Inhalt und politisch-historischen Hintergrund des Vertrags über die Energiecharta, stellen Investitionsschutzfälle auf der Basis des Vertrags vor und diskutieren, was passieren würde, wenn der Vertrag gekündigt wird.

Laden Sie hier unser Dossier herunter.

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