Was der Biene schadet, bleibt am Markt

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Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner lässt sich gerne mit dem Satz „Was der Biene schadet, muss vom Markt“ zitieren. Ihr Verhalten im jüngsten Streit um Pestizide, ausgetragen zwischen Umwelt- und Landwirtschaftsministerium, lässt an ihrer Entschlossenheit allerdings erhebliche Zweifel aufkommen.
Vergangene Woche katapultierte sich das Insektensterben wieder in die Schlagzeilen: Eine neue Studie der Technischen Universität München zeigt, dass das Ausmaß des Verlusts an Insekten selbst die erfahrensten ForscherInnen schockiert. Sie fanden heraus, dass wir alleine im letzten Jahrzehnt rund ein Drittel der Insektenarten verloren haben. Ein wichtiger Auslöser des Insektensterbens ist die intensive Landwirtschaft und der damit verbundene massenhafte Einsatz von chemisch-synthetischen Pestiziden.
Die Genehmigung von solchen Pestiziden obliegt in Deutschland der Verantwortung des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), das dem Landwirtschaftsministerium unterstellt ist. Allerdings wird zusätzlich das Einvernehmen des Umweltbundesamts (UBA) benötigt, das wiederum dem Umweltministerium zuarbeitet. Das UBA nimmt für jedes Pestizid eine Risikoprüfung vor, deren Ergebnis bei der Zulassung berücksichtigt werden muss.
Drei kürzlich ergangene Urteile des Verwaltungsgerichts Braunschweig drohen nun jedoch, diese Kompetenz des UBA empfindlich einzuschränken: Das Gericht sprach in seinen Urteilen den deutschen Behörden de facto das Recht ab, die tatsächlichen Auswirkungen von Pestiziden auf die Umwelt zu bewerten. Es dürften in Zukunft nur noch Tatsachen bewertet werden, zu denen die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA bereits Methoden vorgelegt hat. Das UBA selbst schreibt in einer Pressemitteilung: „Bei vielen wichtigen Fragen ist die EFSA mit der Vorlage solcher Leitlinien jedoch auch noch zehn Jahre nach Inkrafttreten der EU-Zulassungsverordnung säumig.“
Konkret geht es in dem Rechtsstreit um die Zulassung der zwei Herbizide Sunfire und Corida sowie um das Insektizid Fasthrin 10 EC. Das UBA äußerte Bedenken hinsichtlich des ausreichenden Gewässerschutzes sowie dem Schutz von Insekten und erließ entsprechende Auflagen. Bei Corida und Fasthrin sollten zehn Prozent der Ackerfläche nicht mit den Mitteln behandelt werden dürfen, um einen Rückzugsort für Vögel, Insekten und Pflanzen zu schaffen. Sunfire sollte höchstens alle drei Jahre ein Mal ausgebracht werden dürfen, um eine Kontamination des Grundwassers zu vermeiden – der Wirkstoff lässt sich in der Trinkwasseraufbereitung nur schlecht entfernen. Das BVL ließ die Mittel in Folge nur unter diesen Auflagen zu. Daraufhin klagten Pestizidhersteller gegen das BVL und bekamen Recht. Das zuständige Verwaltungsgericht Braunschweig verpflichtete die Behörde Anfang September, die Zulassung ohne die Auflagen des Umweltbundesamtes zu erteilen. Bis spätestens vergangenen Mittwoch hätte das BVL unter der Aufsicht von Frau Klöckner Berufung gegen das Urteil einlegen können. Doch die Behörde ließ die Frist verstreichen und akzeptierte damit das für die Artenvielfalt verhängnisvolle Urteil.
Entsprechend groß ist nun der Ärger in Umweltministerium und Umweltbundesamt, dass das BVL nichts unternommen hat, um die erteilten Auflagen für mehr Umweltschutz doch noch durchzusetzen. Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Umweltministerium, schrieb bereits vor dem Ende der Frist an das Landwirtschaftsministerium: „Sollte das BMEL einer Berufung widersprechen, würde damit implizit durch das politische Handeln Ihres Hauses Schäden an der biologischen Vielfalt und insbesondere bei Insekten, ggf. aber auch negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit, sehenden Auges hingenommen“. Es sei „nicht vertretbar, eine derart weitreichende Frage einem erstinstanzlichen Verwaltungsgericht zu überlassen“.
Der schwelende Streit um die Zulassung von Pestiziden zwischen Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner und Umweltministerin Svenja Schulze treibt also einem weiteren traurigen Höhepunkt entgegen. Ausgetragen wird er derzeit vornehmlich zwischen den beiden untergeordneten Behörden. Statt den eigenen Worten Taten folgen zu lassen, verhindert Frau Klöckner wirkungsvolle Schutzmechanismen im Zulassungsprozess. Den eigentlichen Schaden trägt dabei die Umwelt und durch den Verlust der Artenvielfalt langfristig auch der Mensch.
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