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Pestizide im Grundwasser

Otto Durst / adobe.stock.com

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(18.06.2019) Alle drei bis fünf Jahre veröffentlicht die Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser einen detaillierten Bericht über Rückstände von Pestiziden im Grundwasser. Der aktuelle Bericht für die Jahre 2013 bis 2016 zeigt, dass Verbote von Wirkstoffen wirken – wenn auch mit Jahren oder gar Jahrzehnten Verzögerung. Denn der Boden und das Grundwasser haben ein langes Gedächtnis. Es lohnt sich daher, genau hinzuschauen.

Ausgehend von europäischem Recht kümmern sich Behörden sowie die kommunalen Wasserversorger intensiv um das Grundwasser. In den aktuellen Bericht gingen Daten von über 14.000 Messpunkten ein, an denen oberflächennahes Grundwasser entnommen wurde. Das Leitungswassers wird zwar oft aus Grundwasser gewonnen, ist aber besser geschützt. Die Wasserversorger suchen dafür Brunnen, die durch die Geologie besonders geschützt sind und kümmern sich durch Wasserschutzzonen und Verträge mit LandwirtInnen um den Schutz der Ressource.

Zudem sind regelmäßige Messungen gesetzlich vorgeschrieben. An die Ergebnisse dieser Messungen für das eigene Leitungswasser zu kommen, ist übrigens nicht schwierig: Eine höfliche E-Mail an den Wasserversorger sollte ausreichen, denn hier gilt eindeutig das Umweltinformationsgesetz.

So kann Vorsorge funktionieren

Der Staat ist bereit, schnell zu handeln, um das Grundwasser zu schützen. So wurde Ende 2006 ein mögliches Abbauprodukt des Fungizids Tolyfluanid bekannt, das ins Grundwasser gelangen könnte. Zwar ist das Abbauprodukt nach aktuellem Wissensstand nicht gefährlich. Doch wenn es mit Ozon in Verbindung kommt, entsteht ein krebserregender Stoff. Trinkwasser wird zwar in Deutschland normalerweise nicht mit Ozon behandelt, doch die Wasserversorger halten sich die Option offen, Wasser mit Ozon zu reinigen. Schon 2007 wurde die Zulassung aller Mittel mit Tolyfluanid in Deutschland durch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zurückgezogen. So sollte das Vorsorgeprinzip funktionieren: Schnell und konsequent handeln, noch bevor das Problem akut wird.

Insgesamt sinkt die Menge der Rückstände von Pestiziden im Grundwasser, obwohl die Behörden und Wasserversorger tendenziell immer genauer hinschauen. So war noch in den 1990er Jahren in fast 30% der Messstellen Rückstände von Pestiziden oder relevanten Abbauprodukten nachweisbar. Im Zeitraum 2013 bis 2016 ist der Anteil auf 18,8% gesunken. Die absoluten Zahlen der Stellen, an denen der EU-Schwellenwert von 0,1µg/l überschritten wurde, hat sich mehr als halbiert, obwohl es inzwischen mehr Messstellen gibt. Doch immer noch wird der Schwellenwert bei 3,8% der Messstellen gerissen. Pestizide aber haben im Grundwasser nichts zu suchen.

Wer genauer hinschaut, findet mehr

Glyphosat, das am meisten verwendete Ackergift, wurde im aktuellen Berichtszeitraum nur bei 2049 der Messstellen überhaupt gesucht. Bisher gingen die meisten Stellen wohl davon aus, dass der Stoff sich kaum im Grundwasser findet, weil er im Boden an Bodenpartikel heftet, jedoch abgebaut wird, wenn er in einer auswaschbaren Form vorliegt. Die Zahl der Messpunkte, an denen das Unkrautvernichtungsmittel gefunden wurde, ist vom Zeitraum 2009-2012 auf den Zeitraum 2013-2016 von 2,9% auf 4,1% angestiegen. An 83 Messstellen wurde es gefunden, bei 18 davon wurde auch der Schwellenwert überschritten.

Ob der Bedeutung, die Glyphosat in der Landwirtschaft hat und auch wegen des für das Grundwasser besonders problematischen Einsatzes auf Bahngleisen würde sich lohnen, hier noch genauer hinzuschauen. Sollte sich herausstellen, dass Glyphosat doch öfter ins Grundwasser gelangt als bisher gedacht, würde uns das Problem noch lange verfolgen, da der Wirkstoff lange im Boden fixiert bleiben kann.

Das lange Gedächtnis

Das größte Problem stellt nach wie vor Atrazin und sein Abbauprodukt Desethylatrazin dar. Das Unkrautvernichtungsmittel war bis 1991 in Deutschland im Ackerbau weit verbreitet, wurde aber auch von der Bahn auf Gleisen und von Privatleuten in Gärten eingesetzt. Es bindet sich im Boden fest an Bodenpartikel und wird dann kaum abgebaut. Im Laufe von Jahrzehnten landet es schließlich im Grundwasser und verbleibt auch dort lange. Auch über 20 Jahre nach dem Verbot findet man Atrazin oder Desethylatrazin noch in fast 10% der Messstellen. Seit Anfang der 2000er ist die Zahl der mit diesen Stoffen belasteten Stellen jedoch um über 40% gesunken, die Zahl der Messpunkte an denen der Schwellenwert überschritten wurde, sank in absoluten Zahlen von 125 auf 47.

Atrazin wird noch Jahrzehnte lang im Grundwasser nachweisbar sein. Auch viele andere vor langem oder auch erst kürzlich verbotene Stoffe und ihre Abbauprodukte finden sich noch im Grundwasser. Auch der 2006 erst entdeckte Metabolit von Tolyfluanid findet sich auch im aktuellen Bericht noch in rund 1500 Messstellen. Diese Beispiele zeigen, wie wichtig es ist, vorsichtig zu sein, wenn Chemikalien in die Umwelt entlassen werden.

Gibt es irrelevante Chemikalien im Grundwasser?

Genauer hinzuschauen lohnt sich auch bei den sogenannten nicht-relevanten Metaboliten. Abbauprodukte (Metaboliten) von Pestiziden gelten nur dann als relevant im Sinne des Wasserschutzes, wenn sie entweder selbst als Pestizide wirken, Wasserorganismen schädigen oder für Menschen giftige, krebserzeugende, erbgutschädigende oder fruchtbarkeitsschädigende Wirkungen haben. Ob ein Metabolit relevant ist, wird bei der Genehmigung der Pestizide von den europäischen Behörden EFSA und ECHA bewertet. Die Einschätzung kann sich ändern, wenn neue Erkenntnisse vorliegen.

Für die Hersteller der Pestizide lohnt es sich, viel zu investieren um zu beweisen, dass ein Abbauprodukt als nicht-relevant eingestuft wird. Denn wenn ein problematischer Metabolit im Grundwasser auftaucht, kann die Zulassung für das Mittel schnell wieder entzogen werden. Gleichzeitig haben zivilgesellschaftliche Organisationen kaum die Kapazitäten, die Genehmigungsverfahren aller Wirkstoffe zu verfolgen – geschweige denn, sich auch noch um alle Abbauprodukte zu kümmern. Es wäre nicht verwunderlich, wenn in den nächsten Jahren immer mal wieder ein Pestizid vom Markt verschwindet, weil neue Abbauprodukte entdeckt werden oder problematische Eigenschaften solcher Metaboliten bekannt werden.

Die nicht-relevanten Abbauprodukte werden teilweise von den Wasserversorgern und Behörden trotzdem überprüft – vermehrt erst seit 2006. In mit 58% mehr als der Hälfte der über 10.000 Messpunkte, an denen nach diesen angeblich nicht-relvanten Stoffen gesucht wurde, finden sich Rückstände davon.

Fazit

Insgesamt ist es zugleich erschreckend, dass lange verbotene Stoffe nach wie vor oft im Grundwasser zu finden sind, und beruhigend, dass die Belastung langsam, aber stetig abnimmt. Wichtig ist dabei, dass die beruhigende Meldung nicht darauf zurückgeht, dass die Behörden nicht genau genug hinschauen, um etwas zu finden. Bei den sogenannten nicht-relevanten Metaboliten ist jedoch noch Luft nach oben. Insbesondere müssen wir in Frage stellen, ob es überhaupt nicht-relevante Chemikalien im Grundwasser gibt. Pestizide wie zum Beispiel das wenig bekannte Herbizid Metolachlor, das im Boden zu persistenten und mobilen Abbauprodukten zerfällt, sollten aus Vorsorgegründen sofort verboten werden. Immerhin landen davon mehrere hundert Tonnen pro Jahr auf deutschen Maisfeldern.

Eine sinnvolle Konsequenz aus den Erfahrungen mit dem Wasserschutz wäre es, ganz auf Ackergifte zu verzichten. Das würde sicherstellen, dass weder die Wirkstoffe noch ihre Abbauprodukte ins Grundwasser gelangen und dort unter Umständen Jahrzehnte lang verbleiben. Sie haben dort eindeutig nichts zu suchen.

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