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Volksbegehren Artenschutz: Bewegung in Baden-Württemberg

Biene auf Blume

Pestizide und ausgeräumte Agrarlandschaften gefährden Bienen und andere Insekten, Foto: Mauro Tandoi / unsplash

(27.10.2019) Die Landesregierung in Baden-Württemberg reagiert auf das Volksbegehren für mehr Artenschutz mit einem eigenen Eckpunktepapier und einem Dialogangebot. Das Papier ist zwar noch etwas unkonkret, aber eine gute Verhandlungsbasis. Die InitiatorInnen des Volksbegehrens haben das Dialogangebot der Landesregierung darum angenommen. Vielleicht kann das Ziel eines wirksamen Gesetzes für den Artenschutz auch ohne eine Volksabstimmung gelingen.

Das Eckpunktepapier geht auf eine Einigung des Landwirtschaftsministers Peter Hauk (CDU) und des Umweltministers Franz Untersteller (Grüne) zurück, die unter dem Druck des Volksbegehrens zustande gekommen ist. Das Papier nimmt die Zielrichtung des Volksbegehrens auf, ist aber insgesamt etwas weniger ambitioniert. Teilweise bleibt es deutlich dahinter zurück, an anderer Stelle geht es aber sogar darüber hinaus und nimmt Ideen auf, die im Gesetzentwurf des Volksbegehrens nicht vorkommen.

Die wichtigsten Elemente des Eckpunktepapiers sind:
  • Das Ziel, die Artenvielfalt zu erhalten, soll ins Naturschutzgesetz aufgenommen werden. Die gesetzliche Verankerung ist auch ein wichtiges Ziel des Volksbegehrens.

  • Der Anteil des Ökolandbaus soll bis 2030 auf 30 bis 40% steigen und die Menge der eingesetzten chemisch-synthetischen Pestizide um 30 bis 40% sinken. Das Volksbegehren fordert eine Halbierung des Pestizideinsatzes bis 2025 und 50% Ökolandbau bis 2035.

  • Die Landesregierung nennt eine große Menge von Maßnahmen aus Förderprogrammen, Forschung und Fortbildung, mit der das Ziel erreicht werden soll. Das Vorgehen ist angemessen, weil der größere Rahmen durch Bundes- und EU-Recht gesetzt und das Land nur begrenzt zuständig ist. Die Maßnahmen müssen jetzt aber in einem Gesetz verankert werden.

  • Der Einsatz von Pestiziden in Naturschutzgebieten soll verboten werden, in anderen Schutzgebieten soll nur noch der sogenannte „integrierte Pflanzenschutz“ erlaubt sein. Das Volksbegehren fordert ein Verbot von Pestiziden in allen Schutzgebieten, in denen Artenschutz ein Schutzziel ist. Der Vorschlag der Landesregierung fällt hier deutlich hinter dem Volksbegehren zurück. Der „integrierte Pflanzenschutz“ ist leider nicht mehr als ein Propagandainstrument der Chemieindustrie und der mit ihr verbündeten Teile der Landwirtschaft. Das Konzept verpflichtet die LandwirtInnen, vor dem Spritzen nachzudenken, Schadschwellen zu erfassen und ökologische Alternativen zu prüfen. Es führt in der Praxis aber nicht zu großen Einsparungen bei den Pestiziden, weil ohnehin nicht anzunehmen ist, dass die LandwirtInnen viel mehr spritzen, als wirtschaftlich sinnvoll erscheint. Wer bei konventionellen Anbausystemen bleibt, wird aber auch bei vorherigem Nachdenken immer wieder auf Ackergifte angewiesen sein.

  • Ein Biotopverbund soll nach dem Vorbild der bayerischen Regeln eingeführt werden, die hier durch ein Volksbegehren beschlossen wurden.

  • Streuobstwiesen sollen vor Flächenverbrauch geschützt werden und die Anreize zum Erhalt und der Bewirtschaftung der alten Obstbäume erhöht werden. Das Volksbegehren fordert ein Verbot der Rodung von Streuobstwiesen. Die Landesregierung bleibt hier auch im Vergleich mit anderen Stellen im Papier recht unkonkret. Die Idee, die Fällung von Streuobstbeständen für Baumaßnahmen durch eine Genehmigungspflicht zu verhindern, würde weitgehend ins Leere laufen, wenn die Kommunen über diese Genehmigungen entscheiden. Die Kommunen genehmigen nämlich im Zweifelsfall auch die Baumaßnahmen selbst.

  • Der Einsatz von Pestiziden durch Privatleute und zur Pflege von kommunalen Flächen wie Parks oder „Straßenbegleitgrün“ soll beendet werden. Auch die Versiegelung von Privatgärten (z.B. sogenannte „Steingärten“) soll verboten werden. Diese Forderungen sind sehr sinnvoll und tauchen im Gesetzentwurf zum Volksbegehren nicht auf.

  • Die Lichtverschmutzung soll eingedämmt werden. Auch das Thema ist nicht Teil des Volksbegehrens. Da Lichtverschmutzung als eine wichtige Ursache für das Insektensterben gilt, ist die Aufnahme in ein Artenschutzgesetz sehr sinnvoll. Das Eckpunktepapier ist recht unkonkret, wie genau die Lichtverschmutzung eingedämmt werden soll.  Positiv fällt aber auf, dass es nicht nur um technische Maßnahmen geht, sondern auch eine Reduzierung der Lichtmenge insgesamt erreicht werden soll.
Wie reagiert das Bündnis auf das Eckpunktepapier der Landesregierung?

Die Verbände hinter dem Volksbegehren haben sich einstimmig entschieden, den Vorschlägen der Landesregierung eine Chance zu geben, wenn drei Bedingungen erfüllt werden:

  1. Bis Mitte Dezember muss aus dem Eckpunktepapier ein Gesetzentwurf werden.
  2. Die Landtagsfraktionen der Grünen und der CDU müssen sich ebenfalls zu dem Papier bekennen, damit die Vorschläge der Regierung nicht später im Landtag verwässert werden.
  3. Die Verbände hinter dem Volksbegehren müssen an der Konkretisierung der Eckpunkte zu einem Gesetzentwurf beteiligt werden.

Die Landesregierung und das Volksbegehren sind sich zudem einig, dass eine dritte Gruppe an dem Dialog beteiligt werden soll: VertreterInnen der Landwirtschaft. Das Ziel ist es, eine Einigung zu finden, die von der breiten Bevölkerung getragen wird. Das ist es wert, ein gewisses Risiko einzugehen: Mit der Sammelpause verlieren wir Zeit, um die nötigen Unterschriften für eine Volksabstimmung zu sammeln. Falls der Dialogprozess scheitert oder die Ergebnisse zu weit hinter dem Notwendigen zurückbleiben, könnte es knapp werden, das Volksbegehren noch zum Erfolg zu führen. Andererseits wird sicherlich ein Aufschrei durchs Ländle gehen, wenn sich am Ende herausstellt, dass ausgerechnet eine grün geführte Landesregierung eine demokratische Initiative für mehr Umweltschutz austrickst. Dann könnten die fehlenden Unterschriften sehr schnell zusammenkommen.

Es ist ein Erfolg für das Volksbegehren, dass nun Bewegung in die Sache gekommen ist. Denn sicher ist: Ohne das Volksbegehren und die vielen Menschen, die unterschrieben und Unterschriften gesammelt haben, hätte sich auch nichts bewegt. Und weiter so wie bisher ist keine Option.

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