Ungehorsam im Angesicht der Klimakrise
(26. Juni 2019) Zehntausende protestierten am Wochenende im Rheinland für Kohleausstieg und Klimagerechtigkeit. Die Demonstrationen und Blockaden fordern von der Politik die Einhaltung der beschlossenen Klimaziele. Die Proteste markieren einen neuen Höhepunkt der Klimagerechtigkeitsbewegung.
Bereits am Freitag fanden sich in Aachen rund 40.000 Jugendliche zu einem zentralen Klimastreik der „Fridays for Future“-Bewegung zusammen. Im Verlauf des Wochenendes blockierten rund 6.000 Menschen im Rahmen der Aktion „Ende Gelände“ die Bagger im Braunkohle-Tagebau Garzweiler und unterbrachen die Schienenzufuhr zu Deutschlands größtem Kohlekraftwerk Neurath für fast 48 Stunden. Weitere 8.000 Menschen nahmen am Samstag an einer Großdemonstration von Verbänden und Initiativen teil, die am Tagebau Garzweiler Klimaschutz und den Erhalt bedrohter Dörfer forderte.
Die junge Generation sieht sich angesichts der bedrohlichen Klimakrise immer stärker zum zivilen Ungehorsam in Form von Schulstreiks und Blockaden gezwungen. Die Untätigkeit der Regierenden wollen sie nicht länger in Kauf nehmen. Zu sehr sind die Auswirkungen der globalen Überhitzung inzwischen spürbar. In Deutschland erklimmt das Thermometer dieser Tage wohl seit Beginn der Wetteraufzeichnungen erstmals im Juni die 40 Grad-Marke. An bundesweit 51 Wetterstationen wurden diesen Dienstag neue Temperaturrekorde aufgestellt. Noch nie zuvor seit Beginn der Wetteraufzeichnungen war es dort so heiß. Und die Anzahl der Waldbrände hierzulande hat sich 2018 gegenüber dem Vorjahr vervierfacht.
Die Auseinandersetzung mit der globalen Erwärmung ist zu einem Kernthema in Öffentlichkeit, Medien und Politik geworden. Entsprechend breit ist auch die Medienresonanz auf die Proteste. Über drei Tage lange berichtete die Tagesschau mit einem Liveticker auf ihrer Webseite. In Funk, Fernsehen und den großen Zeitungen – auch international – waren die Demonstrationen und Blockaden Schlagzeilen.
RWE und die Bundesregierung geraten so zunehmend in Bedrängnis. Die kraftvollen Proteste vom Wochenende haben die Debatte um den Kohleausstieg wieder geöffnet. Klimaschutz und Kohleausstieg 2038? Das geht nicht zusammen.
Mit den monatelangen Schulstreiks und Protestaktionen wirkt die Bewegung tief in die Gesellschaft hinein – ihr Sein bestimmt das öffentliche Bewusstsein. Der Klimawandel ist in Umfragen Topthema. Eine deutliche Mehrheit der Bundesbürger (62 Prozent) hält derzeit eine CO2-Steuer grundsätzlich für sinnvoll. Die Stärke der Klimabewegung macht es der Politik immer schwerer, ihren Kurs der klimapolitischen Totalverweigerung fortzusetzen.
Die Kanzlerin forderte indes vollmundig Beschlüsse, die zu „disruptiven“ Veränderungen führen. Noch bleiben dies leere Worte. Es wird auf Zeit gespielt. Vor den Landtagswahlen im Osten, will die Union den Ball flach halten. Damit sich die Klimaproteste auch wirklich in die erforderliche Realpolitik übersetzen, heißt es also: Dranbleiben!
Ein zeitnaher Kohleausstieg – käme er denn – wäre nur ein Etappensieg im Kampf gegen eine verschärfte Klimakrise. Noch fressen sich die Riesenbagger der Energiekonzerne durch Dörfer, Wald und Felder. Auf den Umbau des Energiesektors müsste eine Verkehrswende folgen – weg vom motorisierten Individualverkehr – und die Wende hin zu einer erneuerbaren Wärmeversorgung. Fest steht: Die Klimabewegung braucht einen langen Atem.
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