Zwangspause für den Garchinger Forschungsreaktor
Forschungsreaktor FRM II in Garching mit "Atomei" - Foto: wikimedia commons
(13. Juni 2019) Der Forschungsreaktor der TU München steht seit dem 11. März still. Für den Betrieb mangelt es an hochangereichertem, waffenfähigen Uran, denn Frankreich erteilt keine Genehmigung für dessen Transport. Grundsätzlich steht die Nutzung des gefährlichen Materials in Garching in eklatantem Widerspruch zur Nicht-Verbreitung waffenfähigen nuklearen Materials. Ohne Umrüstung auf niedrigangereichertes Uran, darf der FRM II deshalb nicht wieder in Betrieb genommen werden.
Die für einen Weiterbetrieb des Forschungsreaktors (FRM II) in Garching benötigten „frischen“ Brennelemente stehen derzeit im Herstellerwerk in Frankreich. Ursprünglich war ihr Transport bereits für Dezember letzten Jahres geplant. Doch dazu kam es nicht. Das geht aus einer aktuellen Anfrage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (Grüne) an das Bundeskanzleramt hervor. Ursache für die Verzögerungen sind laut Bundesregierung Änderungen des Genehmigungsprozesses auf Seite der französischen Behörden. Bislang wurden dort Transportgenehmigungen als Einzelfallentscheidungen gehandhabt. Sonderregelungen die in der Vergangenheit den Genehmigungsprozess beschleunigten, sollen nun jedoch nicht mehr angewendet werden. Dies führt nun zu einem zeitaufwendigen Genehmigungsprozess und zu den aktuellen Verzögerungen.
Transporte frischer Brennelementen für den FRM II müssen besonders gesichert werden. Stark radioaktiv sind sie zwar nicht. Wesentlicher Grund ist jedoch, dass sie hoch angereichertes Uran (highly enriched uranium, HEU) enthalten – Material, das für Atomwaffen missbraucht werden könnte. Ein Brennelement des FRM II enthält etwa acht Kilogramm Uran. Bei fortgeschrittener Technik reicht diese Menge bereits für eine Atomwaffe aus. Der Garchinger Reaktor ist einer der größten Nutzer von HEU weltweit und steht an fünfter Stelle beim HEU-Verbrauch in zivilen Forschungsreaktoren.
Derzeit stammt das für den FRM II genutzte hochangereicherte Uran aus Russland, nachdem die USA Lieferungen verweigerte. Seit den 1990er Jahren drängen die USA darauf, den Export von hochsensitivem HEU möglichst einzuschränken und den Einsatz von HEU in Forschungsreaktoren weltweit zurückzudrängen. Seither wurde der überwiegende Teil der Forschungsreaktoren in 18 Ländern umgerüstet, mehr als 20 Reaktoren wurden für den Einsatz hochdichter, aber niedrig angereicherter Brennstoffe neu gebaut.
Vieles deutet darauf hin, dass Russland nun die für den FRM II angefertigten Brennelemente neu produziert und nicht – wie oft behauptet – auf HEU-Bestände aus alten Atomwaffen beruhen. Wissenschaftler der Universität Princeton (USA) kommen zu dem Ergebnis, dass Russland seit 2012 die Produktion von neuem waffenfähigen HEU mit seiner Rolle als Lieferant des FRM II rechtfertigt.
Doch was macht die Bundesregierung? Laut Auskunft des Auswärtigen Amtes verzichtet sie bewusst darauf, Informationen dazu einzufordern, aus welchen Quellen das für den FRM II verwendete hochangereicherte Uran stammt. Aus Sicht des Ministeriums wäre ansonsten die Lieferung von HEU nach Garching gefährdet. Aufschluss über die Quelle des aus Russlands angelieferten HEU könnte eine massenspektrometrische Analyse geben. Doch auch hier bleibt die Bundesregierung untätig.
Die Politik der Bundesregierung steht in eklatantem Widerspruch zu ihren offiziellen Verlautbarungen, sich in der Außen- und Sicherheitspolitik für Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung einzusetzen. Deutschland ist unter anderem Mitglied in der „Nonproliferation and Disarmament Initiative“ (NPDI) und hat zudem das internationale Programm zur Umstellung von Forschungsreaktoren auf niedrig angereichertes Uran (RERTR) mit einem eigenen Abreicherungsprogramm unterstützt. Der Bezug von hochangereichtem Uran für den FRM II ist in keiner Weise konsistent mit der Nicht-Verbreitung waffenfähigen nuklearen Materials. Die Umrüstung des FRM II auf niedrig angereichertes Uran (<20% Uran-235) darf nicht weiter verschleppt werden.
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