Wir lassen uns nicht mehr verkohlen

(Foto: Philip Eichler)
(30. Oktober 2018) „Die Anti-AKW-Bewegung hatte mehrere Jahrzehnte Zeit dafür, sich eine breite Basis zu erarbeiten. Die AktivistInnen der Klimabewegung haben einen engeren Zeitplan – und der scheint zu funktionieren.“ Das schrieb die taz am Sonntag und bringt damit die rasante Entwicklung der Anti-Kohle-Proteste in den letzten Wochen auf den Punkt, die am Wochenende ihren vorläufigen Höhepunkt erlebten.
Mehrere tausend Menschen besetzten von Samstag bis Sonntag die Kohle-Transportbahn an Europas größtem Tagebau „Hambach“. Über die Schienen versorgt RWE die umliegenden Kraftwerke mit dem klimaschädlichen Brennstoff. Der Konzern selbst bezeichnet die Hambachbahn als „Schlagader des Rheinischen Kohle-Reviers“.
Mit insgesamt rund 6.500 Menschen war es die größte Aktion zivilen Ungehorsams gegen Kohle in der Geschichte der Umweltbewegung. Zeitgleich zu der Blockade solidarisierten sich tausende Menschen aus dem Rheinland und anderen Teilen Deutschlands mit dem friedlichen, aber entschlossenen Protest gegen die Kohle. An der Organisation der Soli-Demo war auch das Umweltinstitut beteiligt.
Bereits vor drei Wochen nahmen rund 50.000 Menschen an einer Großdemonstration gegen die von RWE angekündigte Rodung des Hambacher Waldes teil. Nicht einmal die Proteste im Umfeld des letzten Klimagipfels in Bonn brachten so viele Leute auf die Straße. Bei der Kundgebung am Hambacher Forst feierten die Menschen einen Etappensieg auf dem Weg zum Kohleausstieg: Das Verwaltungsgericht Aachen hatte kurz zuvor einen vorläufigen Rodungsstopp für den Wald verhängt. Der SPIEGEL kommentierte: „Die Pläne für den Braunkohletagebau: überholt. Die Aktie: im freien Fall. Die Aussichten: düster. Der Imageschaden: gewaltig. RWE erlebt wegen des Hambacher Forsts einen der bittersten Tage der Konzerngeschichte.“
Die Anti-Kohle-Bewegung bricht nicht nur zahlenmäßig Rekorde, sondern konsolidiert sich zunehmend zu einer gesellschaftlichen Kraft, die mit der Anti-Atom-Bewegung vergleichbar ist. Wie die Anti-Atom-Bewegung hat auch die Anti-Kohle-Bewegung ihre Symbole und Kristallisationsorte gefunden: den liebevoll „Hambi“ genannten Hambacher Forst, seine vom Aussterben gefährdete Bechsteinfledermaus sowie die Mondlandschaften gleichenden Tagebaue und die ihnen geopferten jahrhundertealten denkmalgeschützten Kirchen. Die Dringlichkeit zum Handeln ist so hoch, dass alle Teile der Bewegung mehr und mehr vereint kämpfen. Weite Teile der Bevölkerung solidarisieren sich mit den BaumbesetzerInnen des Hambacher Forsts. Umweltorganisationen wie das Umweltinstitut haben sich solidarisch mit dem zivilen Ungehorsam der Kampagne „Ende Gelände“ erklärt.
Spätestens nach den Dürreperioden, Überschwemmungen und Ernteausfällen des diesjährigen Hitzesommers ist den meisten klar: Es geht hier um die Zukunft von uns allen. Inzwischen befürworten deshalb 73 Prozent der Bevölkerung einen schnellen Kohleausstieg. Nun schauen alle auf die Kohlekommission und die Bundesregierung: Sie dürfen die Gefahren der Klimakrise und die Stimme der Menschen nicht länger ignorieren.
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