Hambi bleibt! Protest auch.
50.000 Menschen protestierten am Hambacher Forst (Foto: Philip Eichler/Campact)
(11. Oktober 2018) Mit einem Fest des Protests holten sich die Menschen am Wochenende den Hambacher Wald zurück. Doch mit dem gerichtlich verhängten Rodungsstopp ist die Auseinandersetzung um Kohleausstieg und Klimaschutz nicht beendet. Eine aktuelle Studie des Weltklimarats macht erneut deutlich, wie dringend sofortige Klimaschutzmaßnahmen sind.
Mehr als 50.000 Menschen feierten am Wochenende am Hambacher Wald den vorläufigen Rodungsstopp und unterstrichen ihre Forderung nach einem ambitionierten Kohleausstieg. Dabei holten sich die AktivistInnen den Wald zurück: Wo bis vor kurzem dutzende Baumhäuser geräumt wurden, spannten Menschen nun Hängematten oder begannen mit der Errichtung neuer Siedlungen. Der Protest bleibt weiter stark, so das Signal. Aus dem vorläufigen Erhalt des Waldes muss ein endgültiger werden.
Noch kurz vor dem Protestwochenende war die Lage eine ganz andere. Alles deutete auf eine zeitnahe Rodung hin. Zugleich hatte die Polizei die angekündigte Demo für Samstag, den 6. Oktober verboten. Begründung: erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit. Doch mit dem Freitag änderte sich alles. Mit einem spektakulären und überraschenden Urteil verfügte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster einen vorläufigen Rodungsstopp des Hambacher Forstes. Wenige Stunden später wurde auch die Großdemonstration genehmigt.
Mit dem Urteil des OVG entsprach das Gericht einem Antrag des BUND. Dieser argumentierte, der Wald erfülle die Kriterien eines FFH-Schutzgebiets (dem höchsten europäischen Naturschutzstatus) und müsse deshalb geschützt werden. Die Richter beurteilten die Rechtsfragen als so komplex, dass man sie nicht in einem Eilverfahren beantworten könne. Damit nicht „vollendete, nicht rückgängig zu machende Tatsachen geschaffen“ würden, verordnete es einen vorläufigen Rodungsstopp.
Während die AktivistInnen das Gerichtsurteil als Erfolg des anhaltenden und vielfältigen Engagements feierten, erlebte RWE „einen der bittersten Tage der Konzerngeschichte“ (Zitat „Der Spiegel“). Nach dem Rodungsstopp rutschte die RWE-Aktie ans Ende des Aktienindex Dax. In der Spitze verlor sie knapp 8,5 Prozent. Der Börsenwert des Energiekonzerns schrumpfte an einem einzigen Tag um fast eine Milliarde Euro.
Und auch für die nordrhein-westfälische Landesregierung gab es keinen Grund zur Freude: Die Zustimmungswerte der regierenden CDU brachen – so das Ergebnis einer Umfrage von Infratest dimap im Auftrag des WDR-Magazins Westpol – massiv ein. Wären nun Wahlen, so käme die schwarz-gelbe Koalition in NRW auf keine regierungsfähige Mehrheit mehr.
Was bedeutet der vorläufige Rodungsstopp für die Kohleförderung im Tagebau Hambach? Sicher ist: Die Rodungssaison 2018/19 ist beendet. Bis zur gerichtlichen Entscheidung im noch anhängenden Hauptverfahren der BUND-Klage darf nicht gerodet werden. RWE selbst rechnet mit einem Rodungsstopp bis Ende 2020. Während der Energiekonzern beklagt, aufgrund des Rodungsstopps die Kohleförderung im Tagebau Hambach um bis zu 38 Prozent reduzieren zu müssen, kritisiert der BUND dies als gezielte Falschmeldung. Die Reduktion, sei eine direkte Folge der von RWE schon lange vor der Gerichtsentscheidung geplanten Überführung von fünf Kraftwerksblöcken in die so genannte Sicherheitsbereitschaft.
Auch der wirtschaftliche Schaden für den Konzern fällt wohl deutlich geringer aus als zunächst fabuliert. Während Konzernlobbyisten im Vorfeld des gerichtlichen Rodungsstopps noch einen Verlust von vier bis fünf Milliarden Euro an die Wand malten, gehen sie nun nur noch von einem niedrigen dreistelligen Millionen Euro Betrag jährlich ab 2019 aus. Der Konzern ertappt sich damit selbst der Lüge.
Doch auch mit dem vorläufigen Rodungsstopp und dem Abzug der Polizei aus dem Wald bleibt der Kern des Protests bestehen. Das starke Unbehagen gegenüber der klimaschädlichen Industrie und Regierungen, die weiterhin wirksame Klimaschutzmaßnahmen unterbinden, hat sich nicht aufgelöst. Und es gibt auch keinen Grund dazu! Ein am Montag veröffentlichter Sonderbericht des Weltklimarats IPCC hebt erneut die Dringlichkeit eines ambitionierten Klimaschutzes hervor.
Laut dem Gremium aus 6.000 WissenschaftlerInnen ist die Begrenzung des Klimawandels auf 1,5 Grad noch möglich. Und sie ist nötig, denn sie bietet immense Vorteile für Menschen und Ökosysteme. Gegenüber der Alternative eines deutlich wärmeren künftigen Klimas besteht so die Möglichkeit eine nachhaltige und gerechte Gesellschaft zu realisieren. Doch um das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten braucht es schnelle, weitreichende und beispiellose Veränderungen in allen Gesellschaftsbereichen. Die Perspektiven sind klar: eine Energiewende, weg von Kohle, Öl und Gas hin zu Erneuerbaren Energien; eine Verkehrswende weg vom motorisierten Individualverkehr hin zu öffentlichem Nahverkehr und Rad und die Etablierung einer nachhaltigen Landwirtschaft, weg von der Agrarindustrie. Wer einen tatsächlichen Wandel will, muss hier ansetzen.
Die Proteste zum Hambacher Forst haben unzählige Menschen politisiert und zu weiterem Engagement motiviert. Das größte Umweltproblem der Menschheit – die menschengemachte globale Erwärmung – erlaubt es uns nicht, jetzt locker zu lassen. Bleiben wir dran, es gibt genug zu tun!
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